Wien: Terroranschlag in Wien - Kriminalpolizeiliche Zwischenbilanz

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Polizeiauto - Symbolbild

20 Okt 12:17 2021 von Redaktion Salzburg Print This Article

In einer Pressekonferenz berichteten heute die Erste Staatsanwältin Mag. Nina Bussek sowie der Leiter der Ermittlungsgruppe "2. November" Oberstleutnant Michael Lohnegger über Details und Hintergründe rund um den Anschlag.

Am 02.11.2020 ereignete sich in Wien ein terroristisch motivierter Anschlag, bei dem vier Menschen ihr Leben verloren und 38 weitere verletzt wurden. Um diesen Angriff abzuweh-ren und zu beenden erfolgte einer der größten sicherheitspolizeilichen Einsätze in der Geschichte der österreichischen Bundespolizei. Durch das effiziente, professionelle und rasche Zusammenarbeiten vieler verschiedener Polizeikräfte konnte der Täter binnen weniger Minuten neutralisiert werden. Besonders hervorzuheben sind hierbei die Erstein-schreiter des exekutiven Streifendienstes, die ohne Rücksicht auf die eigene körperliche Unversehrtheit den Täter unmittelbar und direkt bekämpften, ihn so von weiteren zivilen Opfern ablenkten und für den Einsatz der Spezialkräfte wertvolle Zeit gewinnen konnten.

Nach der Neutralisierung des unmittelbaren Täters und während der sicherheitspolizeiliche Großeinsatz noch lief begannen die kriminalpolizeilichen Ermittlungen, durchgeführt vom Landeskriminalamt Wien, dem Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämp-fung, dem Bundeskriminalamt sowie dem Bundesamt Verfassungsschutz und Terrorismus-bekämpfung, unter der Leitung der Staatsanwaltschaft Wien.

Staatsanwaltschaft lobt gute Zusammenarbeit

Eine in Folge eingerichtete Ermittlungsgruppe "2. November" bearbeitete diesen Vorfall in enger Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft Wien, wobei die Erhebungen bis dato andauern. In einer vorläufigen Zwischenbilanz gab heute die Staatsanwaltschaft Einblicke in das komplexe Ermittlungsverfahren: "Die Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei hat von Anfang an ausgezeichnet funktioniert, weshalb auch bereits nach kürzester Zeit erste Ermittlungserfolge erzielt werden konnten", fasste die Erste Staatsan-wältin Nina Bussek zusammen.

"Besonderer Dank gilt auch allen Sachverständigen, den Telefonnetz-Bertreibern und den vielen Dolmetschern, die teilweise Tag und Nacht die Ermittlungsbehörden unterstützt haben", so Bussek, die auch die internationale Zusammenarbeit lobte. So wurden ca. 40 Rechtshilfe-Ersuchen rasch von ausländischen Behörden beantwortet und abgearbeitet.

Die Einzeltätertheorie kann die Staatsanwaltschaft eindeutig bestätigen: "Der Täter hat in der Tatnacht alleine gehandelt, es gab keine unmittelbaren Beitragstäter. Allerdings haben gewisse Leute den Täter sehr wohl im Vorfeld unterstützt", sagte Bussek. Diese Unterstüt-zung war mentaler Natur, aber es wurden auch beim Thema Waffen Kontakte hergestellt.

Ob die Tatbeiträge mittelbar oder unmittelbar waren, macht für die Staatsanwaltschaft wenig Unterschied: "Die Strafdrohungen sind bis zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe. Auch die Beitragstäter haben für die unmittelbare Tatausführung einzustehen und es droht ihnen hierfür dieselbe Strafandrohung", so Staatsanwältin Bussek.

Kriminalpolizei: Nie dagewesene Komplexität

Die Ermittlungshandlungen beinhalteten sowohl eine aufgrund des weitläufigen Tatortes komplizierte Tatortarbeit als auch den kriminalpolizeilichen Erstangriff zum Vorfall an sich sowie zu den Hintergründen.

"Wir hatten den flächenmäßig größten Tatort, den es jemals in Wien zu bearbeiten galt", sagte Michael Lohnegger, Leiter der Ermittlungsgruppe "2. November", bei der Pressekonfe-renz. Dazu galt es, den Weg des Täters zu eruieren. Trotz nicht vorhandener Videoauf-zeichnungen gelang es durch speziell trainierte Personenspürhunde der Polizei den Weg des Täters zu Tatort – er kam zu Fuß – nachzuvollziehen.

Starke Mithilfe der Bevölkerung

Noch während dem sicherheitspolizeilichen Einsatz erging der multimediale Aufruf an die Bevölkerung, Bilder oder Videos von dem Vorfall an eine speziell für derartige Lagen installierte Upload-Plattform im Bundeskriminalamt zur Verfügung zu stellen oder Hinweise an eine Hotline durchzugeben.

"Durch die überwältigende Mithilfe der Bevölkerung wurden in Summe ca. 24.000 Einzel-medien bzw. 1.864 Stunden an Videomaterial hier den Ermittlern zur Verfügung gestellt. Dazu kamen über 1.000 Hinweise aus der Bevölkerung. Diese Unterstützung hat uns vor allem zu Beginn der Ermittlungen enorm geholfen", so Lohnegger.


Vorläufige Bilanz der Ermittlungstätigkeiten

Strukturermittlungen in den Wochen und Monaten nach dem Anschlag ergaben 20 Fest-nahmen gemäß der Strafprozessordnung mit Bezug zum Anschlag sowie zwölf Festnah-men in weiteren Ermittlungsverfahren, 46 Hausdurchsuchungen und intensive Observatio-nen. 14 dieser Festnahmen erfolgten noch in der Terror-Nacht. Bis dato befragten die Ermittler 340 Zeugen, weitere Vernehmungen sowie Befragungen sind im Gange.

Daraus haben sich mehr als 50 separate, nicht mit dem Anschlag in Verbindung stehende Aktenvorgänge ergeben, die das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbe-kämpfung Wien bearbeitet. Dies gilt auch für über 6.000 (Telefon-) Betreiberanfragen, resultierend aus 67 Rufdatenrückerfassungen mit über 100.000 Verbindungsdatensätzen.

Lohnegger erwähnte in diesem Zusammenhang auch die internationale Komponente auf operativer Ebene: "Die Zusammenarbeit mit anderen Behörden und EUROPOL war und ist sehr professionell. Vor allem bei technischen Auswertungen von Datenmaterial über die Landesgrenzen hinweg ist die internationale Vernetzung von zentraler Bedeutung."

Wegen des Verdachts der Terrorfinanzierung wurden von der Ermittlungsgruppe ca. 90 Konten nach gerichtlich bewilligten Anordnungen der Staatsanwaltschaft Wien geöffnet und die Daten gesichtet, ausgewertet und analysiert. Aus Smartphones, PCs und anderen Speichermedien wurden 15 Terrabyte Datenmaterial sichergestellt. Im Zuge der Ermittlun-gen standen und stehen die Ermittler mit den Sicherheitsbehörden aus mehreren Ländern nach wie vor in engem Austausch.

Bussek und Lohnegger richteten bei der Pressekonferenz auch persönliche Worte der Anteilnahme an die Hinterbliebenen der Opfer.


Quelle: LPD Wien



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