Niederösterreich: Übergabe des instand gesetzten jüdischen Friedhofs St. Pölten

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Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Vorsitzender des Kuratoriums des Nationalfonds und des Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und Bürgermeister Matthias Stadler (v.l.n.r.) bei der Übergabe des jüdischen Friedhofs an die Stadt St. Pölten
Foto: .© NLK Pfeiffer
30 Jun 18:00 2024 von Redaktion Salzburg Print This Article

LH Mikl-Leitner: „Bestätigung und Ausdruck des Respekts gegenüber der jüdischen Kultur und Geschichte“

Nach umfassender Sanierung wurde der jüdische Friedhof in St. Pölten gestern, Freitag, im Beisein von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Vorsitzender des Kuratoriums des Nationalfonds und des Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich, und Bürgermeister Matthias Stadler an die Stadt St. Pölten übergeben.

Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner sagte, es sei „ein bewegender Tag für die Stadt, für das Land und für jeden Einzelnen von uns“: „Denn die Geschichte Niederösterreichs ist untrennbar mit dem jüdischen Leben verbunden. In unserem Bundesland gab es 15 israelitische Kultusgemeinden.“ So viele habe es in keinem anderen Bundesland gegeben, betonte Mikl-Leitner die „bemerkenswerte Vielfalt, die heute leider nicht mehr existiert“ und von der nur noch die jüdischen Friedhöfe zeugen würden. „Friedhöfe sind Häuser der Ewigkeit“ und man wolle sie auch für die Ewigkeit erhalten, denn es sei unsere Verantwortung, die Erinnerung an das jüdische Leben wach zu halten.

„Dieser Friedhof erlitt in der Zeit des Nationalsozialismus schwere Schäden“, führte die Landeshauptfrau aus, dass man viel Geld in die Hand genommen habe, um dieses Kulturgut mit seiner wunderschönen Zeremonienhalle in altem Glanz erstrahlen zu lassen. Jüdische Friedhöfe seien mehr als reine Grabstätten, sie seien „Bestätigung und Ausdruck unserer Wertschätzung gegenüber den Verstorbenen“ und sie seien „Bestätigung und Ausdruck des Respekts gegenüber der jüdischen Kultur und Geschichte“. Man wolle die Geschichte wach halten und jüdische Kultur erhalten, hielt Mikl-Leitner fest, dass in den letzten zehn Jahren acht jüdische Friedhöfe landesweit saniert worden seien. Sie betonte weiters die vielen Initiativen, die man setze, etwa das Festival Tangente in St. Pölten, die Synagoge in St. Pölten als „Meilenstein in der österreichischen Erinnerungskultur“ und das neue Buch von Danielle Spera, das sich mit der Geschichte der Jüdinnen und Juden am Semmering beschäftige. All diese Initiativen seien wichtig für eine aktive Erinnerungskultur, für ein respektvolles Miteinander und im Kampf gegen den Antisemitismus.

„Wir müssen mehr tun“, betonte die Landeshauptfrau in Hinblick auf den beschämenden Anstieg an antisemitistischen Vorfällen in Österreich und Europa. Man müsse junge Menschen in den Schulen und jene Personen, die unsere Staatsbürgerschaft anstreben mit unserer Geschichte konfrontieren und sie zu Verbündeten im Kampf gegen den Antisemitismus machen. Mit dem zumindest einmaligen Besuch einer KZ-Gedenkstätte oder eines jüdischen Museums in Österreich könne man keine Wunder bewirken, „aber wir können zum Nachdenken anregen“, führte Mikl-Leitner aus, dass auch der jüdische Friedhof in St. Pölten dazu beitrage und „ein Ort des Erinnerns und Gedenkens“ sei. Hier spüre man die „schmerzvolle Geschichte“, aber genauso die „Schönheit der jüdischen Kultur“.

Die Landeshauptfrau bedankte sich bei Präsident Oskar Deutsch für das Miteinander zwischen der Israelitischen Kultusgemeinde und dem Land Niederösterreich, ebenso bei Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, der mit viel Wissen, Kompetenz und Herzblut gegen den Antisemitismus kämpfe und bei Bürgermeister Matthias Stadler für die Pflege des jüdischen Friedhofs und die gemeinsamen Initiativen.

Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, sagte in seinen Begrüßungsworten, dass man „mit großem gegenseitigem Respekt“ hier stehe. „Der jüdische Friedhof ist nicht nur ein Ort der Ruhe und des Gedenkens, er ist auch ein wichtiges kulturelles und historisches Erbe“, führte Deutsch aus, dass dieser die Vielfalt und Tiefe des jüdischen Lebens erzähle. Ein jüdisches Grab werde niemals aufgelöst, der jüdische Friedhof sei nun in Zusammenarbeit wieder instand gesetzt worden und werde damit wirklich für die Ewigkeit erhalten. Deutsch sprach von einem „Zeichen des Respekts und der Anerkennung“ und er betonte, dass der jüdische Friedhof „ein Ort der Bildung und des Lernens von Toleranz“ sei und das sei wichtig in einer Zeit, in der Antisemitismus und Intoleranz wieder am Vormarsch seien. Der Präsident sprach von einem „Schritt in eine gemeinsame und friedvolle Zukunft“.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka erinnerte an den ungeheuren Beitrag, den die Jüdinnen und Juden zu diesem Österreich geleistet hätten – in kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht. Sie seien bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert und in der Ersten Republik angefeindet worden und trotzdem geblieben. Man dürfe Israel kritisieren, aber nicht mit den Mitteln des Antisemitismus. Er erinnerte an das Sicherheitsversprechen, den Jüdinnen und Juden ein Land zu geben, in dem sie in Ruhe und Frieden nach der Shoah leben können. Er wünsche sich, dass viele Schulen hierher kämen und die Frage stellen, warum die Jüdinnen und Juden nicht mehr da seien. „Wir brauchen das Gespräch darüber“, führte der Vorsitzende des Kuratoriums des Nationalfonds und des Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich aus, dass man „das Gift des Antisemitismus“ nachhaltig bekämpfen müsse und warnte davor, dass die Demokratie in Gefahr sei, denn: „Antisemitistische Einstellung ist antidemokratische Einstellung.“

Bürgermeister Matthias Stadler sprach von einem Zeichensetzen, das ganz wichtig sei. Seitens der Stadt St. Pölten habe man lange die Geschichte nicht aufgearbeitet, wie es notwendig gewesen wäre. Die Synagoge als Gedenkort, der jüdische Friedhof und die Ausstellung zur NS-Zeit im Stadtmuseum seien wichtige Zeichensetzungen. Diese sollen „Mahnmal für die Gegenwart“ sein, dass man über Jahrzehnte nicht so wachsam gewesen sei. „Auftrag für Heute ist es, die Zeichen der Zeit zu erkennen, Zusammenzustehen und rechtsradikalen und antisemitistischen Strömungen entgegen zu treten“, führte der Bürgermeister aus, dass mit dem Instandsetzen des jüdischen Friedhofs St. Pölten die Schuld der Vergangenheit aufarbeite und er hoffe, dass es dieses Bekenntnis auch in Zukunft geben werde.

Der „neue“ jüdische Friedhof in St. Pölten wurde im Jahr 1906 neben dem Areal des Stadtfriedhofs in der Karlstettner Straße eröffnet. Insgesamt wurden hier 342 Personen beerdigt, 188 Grabsteine sind erhalten. Während des Nationalsozialismus erlitt der Friedhof schwere Schäden, viele Gräber und Grabsteine wurden zerstört. 1951 ließ die Stadt St. Pölten die noch vorhandenen Grabsteine wieder aufstellen, und 1954 erfolgte die Rückstellung an die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) Wien als Rechtsnachfolger der IKG St. Pölten. Nachdem die IKG Wien und die Stadt St. Pölten eine Vereinbarung über die langfristige Instandhaltung des neuen jüdischen Friedhofs St. Pölten getroffen hatten, wurde dieser zwischen 2022 und 2024 instandgesetzt. Die Sanierung umfasste Baumeister-, Schlosser-, Steinmetz- und gärtnerische Arbeiten. Der Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe finanzierte die Instandsetzung mit Bundesmittel in Höhe von insgesamt rund 880.000 Euro. Das Land Niederösterreich förderte die Instandsetzung des Friedhofs in Höhe von insgesamt rund 280.000 Euro.

Weitere Informationen: Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich, www.friedhofsfonds.org


Quelle: Land Niederösterreich



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