Wien: Übertretung des Tierschutzgesetzes - Heuer 40 Prozent mehr Verfahren als 2020
Tierschutzombudsstelle Wien rechnet nach Corona-Ausnahmezustand mit weiterem Anstieg von Missstandsanzeigen
Vernachlässigte Hunde, ausgesetzte Kaninchen oder aufgrund mangelnder Sorgfalt verunfallte Katzen: 159 Fälle, in denen wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet wurde, sind heuer bereits in Wien verfolgt worden. Zum Vergleich: 2020 waren es insgesamt 113 Verfahren. „Die Zahlen zeigen: Das Tierleid ist mit der Pandemie leider nicht weniger geworden“, so Eva Persy, Leiterin der Tierschutzombudsstelle Wien (TOW). „Mehr noch: Wir rechnen mit einer Vielzahl an weiteren Tierschutz-Vergehen, die nach der Corona-Krise sichtbar werden.“
Die steigende Anzahl an Verfahren wegen Übertretung des Tierschutzgesetzes sind nach Einschätzung der Tierschutzombudsstelle auf die Ausnahmesituation der vergangenen 19 Monate zurückzuführen. Zum einen habe es während der Corona-Krise einen enormen Zuwachs bei den privat gehaltenen Tieren gegeben. So ist die Anzahl der neu angemeldeten Hunde in Wien um ein Viertel gestiegen. Unbekannt, aber nach Einschätzung der Tierschutzombudsstelle mindestens genauso hoch, ist der Zuwachs bei den nicht gemeldeten Hunden, Katzen und Kleintieren. „Während der ersten drei Wellen und den damit verbundenen Lockdowns haben viele Menschen Trost und Abwechslung bei einem tierischen Begleiter gesucht“, sagt Persy. Manche Tierhalter*innen waren der Verantwortung jedoch nicht oder nur kurzfristig gewachsen.
Spontan angeschafft, akut überfordert
„Unter den 159 Verfahren sind einige Fälle, in denen sich Personen mitten in der Pandemie Hunde angeschafft haben, mit deren Haltung sie nur kurze Zeit später heillos überfordert waren“, berichtet Persy. Da ist etwa die Geschichte des armen Tierschutzhundes, der auf ein besseres Zuhause gehofft hatte, dann jedoch bei einer Kontrolle durch die Behörde – nach Meldung durch aufmerksame Nachbar*innen bei der TOW – in seinem neuen Heim völlig verwahrlost und abgemagert vorgefunden wurde. Oder der kleine Chihuahua, der von seinem Halter mit Desinfektionsmittel eingesprüht wurde. Ob dies aus Sorge vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus oder aus anderen Gründen geschehen ist, ist nicht bekannt. Fakt ist: Der Hund hat schwere Haut- und Augenreizungen erlitten, der Halter eine saftige Strafe ausgefasst.
6.000 Euro Geldstrafe
Die eigenen vier Wände wurden in der Pandemie auch für manche Tiere zum Gefängnis: Mehrere Hunde mussten aus mit Kot und Urin verdreckten Wohnungen abgenommen werden. „In einem Fall hat ein Hundehalter eine Geldstrafe in Höhe von insgesamt 6.000 Euro bekommen, weil er seinen zwei Hunden durch die extreme Vernachlässigung Schmerzen, Leiden und Schäden zugefügt hat“, berichtet Persy. Ein anderes Beispiel für eine hohe Geldstrafe ist der Fall zweier Kaninchen, die im Sommer an den Müllcontainern einer Wohnhausanlage abgestellt worden waren. Der Halter konnte ausgeforscht werden. Er sagte aus, er habe keine Zeit mehr, sich um die Tiere zu kümmern. 4.000 Euro Strafe waren die Folge.
Dunkelziffer bei Tierleid hoch
Neben der Zunahme an – nicht immer zuvor wohl überlegten – Tierhaltungen in Wien ist die verstärkte Kontrolltätigkeit der Behörde ein weiterer Grund für den Anstieg der Verfahren. „Natürlich müssen alle bei der Behörde oder bei uns gemeldeten Missstände zunächst überprüft werden, bevor es zur Anzeige und zu einem Verfahren kommt“, so Persy. Im vergangenen Jahr waren die Kontrollen durch die Corona bedingten Maßnahmen zeitweise nur eingeschränkt möglich. Dass nicht hinter jedem Verdacht auf Tierleid ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz vorliegt, zeigt eine andere Zahl der TOW aus diesem Jahr: Rund 160 Meldungen von Bürger*innen an die Tierschutzombudsstelle über vermeintliche Missstände in der Tierhaltung haben sich nach Überprüfung durch die Behörde als falscher Alarm herausgestellt. „Gleichzeitig ist die Dunkelziffer der Tiere, deren Leiden in einer Großstadt wie Wien unentdeckt bleibt, vermutlich mindestens genauso hoch“, stellt Persy fest. „Jeder Fall von Tierleid ist ein Fall zu viel.“
Das können Sie tun
Wenn Sie den Verdacht haben, dass ein Tier in Ihrem Umfeld nicht tiergerecht oder gesetzeskonform gehalten wird, dann können Sie dies bei Stadt Wien – Veterinäramt und Tierschutz (MA 60) oder der Tierschutzombudsstelle Wien melden. Die TOW kann die Hinweise – auch anonym – an die Veterinärbehörde weitergeben und weitere Schritte in die Wege leiten. Aufgrund der sogenannten Parteistellung ist die Tierschutzombudsfrau Eva Persy in Verfahren eingebunden und stellt sicher, dass die Interessen der Tiere vor Behörden und Gerichten berücksichtigt werden.
Die Tierschutzombudsstelle Wien (TOW) setzt sich für ein harmonisches und respektvolles Miteinander von Mensch und Tier in der Großstadt ein. Sie fördert die Interessen des Tierschutzes und vertritt diese auch in Verwaltungs- und Verwaltungsstrafverfahren. Die Tierschutzombudsstelle agiert unabhängig und weisungsungebunden.
Quelle: Stadt Wien