Salzburg: Unwetter lockerte riesige Mengen an Gestein und Geröll in Kolm Saigurn
Foto: Land Salzburg/Melanie Hutter
Landesgeologischer Dienst beobachtet die Lage / Neue Vermessungen / Mehr als eine weitere Million Kubikmeter bereits in Bewegung
(LK) Die Fahrt durch das Raurisertal lässt selbst bei strahlendem Sonnenschein erahnen, wie hier das Unwetter vor eineinhalb Wochen gewütet hat. Autogroße Felsbrocken wurden angespült, Felder überflutet und die Rauriser Ache knickte Uferbäume wie Zündhölzer. Teilweise sieht das Tal völlig anders aus als vorher. Gerald Valentin vom Landesgeologischen Dienst ist dem Ursprung dieser riesigen Mengen an Geröll am Mittwoch auf den Grund gegangen.
Die Verwüstungen, die der Starkregen und das Unwetter am 28. Juli im Raurisertal hinterlassen haben, lassen selbst erfahrene Experten staunen. „Das ist sicher etwas, was man nicht alle Tage sieht. Der Ursprung des Übels war das so genannte Pilatuskar am Fuße des Sonnblicks, das praktisch komplett eingebrochen ist und eine tiefe Rinne hinterlassen hat. Mehrere hunderttausend Kubikmeter Geröll und Gestein haben sich sozusagen weiter unten ergossen, zirka 24 Hektar groß ist diese Mure“, erklärt Gerald Valentin vom Landesgeologischen Dienst.
Valentin: „Da kommt man sich ganz klein vor.“
Valentin hat sich am Mittwoch direkt am Ursprung der riesigen Gesteinslawine absetzen lassen und meinte danach: „Da kommt man sich ganz klein vor, wenn man an diesem Spalt steht, der hier in die Erde gerissen wurde. Neben den extremen Niederschlagsmengen führe ich das auch auf unter dem Schutt abschmelzende Reste des Pilatuskees und auftauenden Permafrost zurück. Jetzt ist es als ob man einen Stöpsel gezogen hätte, da ist noch mehr als eine weitere Millionen Kubikmeter in Bewegung“, beschreibt Valentin.
Wass: „In dieser Dimension neu.“
Überrascht ist auch Harald Wass, er ist Flight Operator im Polizeihubschrauber, der mit Pilot Christian Graf den Geologen unterhalb des Sonnblickgipfels abgesetzt hat. „Wir sehen natürlich viel, aber so etwas wie hier ist auch für mich neu. Dieses riesige Gebiet und die Menge, die sich gelockert hat, sind mir so noch nicht untergekommen.“
Lage wird genau beobachtet
Die Landesgeologen beobachten den Bereich genau, derzeit sind laut Experten keine Siedlungen und damit Menschen direkt bedroht. „Es ist nur so, dass bei jedem weiteren Regen, dieser Bereich in Bewegung geraten wird. Man sieht, dass das im Kar verbliebene Lockermaterial extrem labil ist und leicht mobilisiert werden kann“, so Valentin und weiter: „Aufgrund der hohen Dynamik dieser Prozesse werden wir den von der Mure betroffenen Talbereich für die Zukunft wohl der Natur überlassen müssen.“
Bereich wird genau vermessen
Alle sieben Jahre wird Salzburg aus der Luft vermessen, Ende August auch dieser Bereich rund um das Pilatuskar und den Pilatussee. Victoria Achatz vom Referat Geodateninfrastruktur (SAGIS) des Landes betont: „Das hat sich jetzt genau getroffen. Auch dieser Bereich wird vom Flugzeug aus zentimetergenau vermessen, wir haben damit wieder genaue Daten, denn dieser Bereich hat sich ja stark verändert. Und wir stellen diese Daten auch zur Verfügung, damit die Lage besser eingeschätzt und beobachtet werden kann“, erklärt die Referatsleiterin.
Klimawandel ändert alles
Geologe Gerald Valentin jedenfalls ist sich sicher, dass diese Ereignisse öfter kommen werden. „Extreme Niederschlagsereignisse treffen hier auf Gebiete, wo die Wassermassen aufgrund der jetzt fehlenden Retentionsmöglichkeiten wie Gletscher, Firnfelder oder Vegetation größtenteils ungehindert abfließen. Sie nehmen am Weg ins Tal Moränenmaterial von früheren Gletschern und Hangschutt mit. Das haben wir auch in anderen Tauerntäler beobachtet, die wir am Mittwoch abgeflogen sind. Diese geologischen Erosionsprozesse sind nicht neu, wir beobachten aber eine Zunahme der Eintrittswahrscheinlichkeiten und Intensitäten. Aus dem Ereignis in Rauris erhoffen wir uns neue Erkenntnisse, um für die Zukunft noch besser gewappnet zu sein“, so Valentin.
Rauris ist jetzt Forschungsgebiet
Doch nicht nur der Landesgeologische Dienst erhofft sich wichtige wissenschaftliche Daten aus Rauris. Vergangenen Montag zum Beispiel gab es bereits Laserscan-Befliegung der Forschungsgesellschaft Georesearch mit einer Drohne im Bereich Sonnblick und Kolm Saigurn. „Die Vermessungsdaten dieser Befliegung und jene aus der Zeit vor den Unwettern werden analysiert. So können wir genau feststellen welche Mengen an Geröll bewegt wurden. Auch Rückschlüsse auf die Tauerntäler im Oberpinzgau und andere Bereiche sind dann möglich“, sagt Gerald Valentin.
Quelle: Land Salzburg