"Wärme-Wende" in Graz

Slide background
Gemeinsame Pressekonferenz v. l.: Energie-Steiermark-Vorstandssprecher Christian Purrer, Holding-Graz-Vorstand Gert Heigl, Holding-Graz-CEO Wolfgang Malik, Bürgermeisterin Elke Kahr, Vizebürgermeisterin Judith Schwentner, SPÖ-Klubobmann Michael Ehmann und Umweltamtsleiter Werner Prutsch.
Foto: Stadt Graz/Fischer
05 Jul 05:00 2022 von Redaktion International Print This Article

Innovative Projekte zur Dekarbonisierung der Fernwärme

Ein sehr ernstes Thema, mit dem sich die Stadt bereits seit 2013 in einer Wärmegruppe auseinandersetzt, stand heute im Mittelpunkt einer gemeinsamen Pressekonferenz von Stadt Graz, Holding Graz, Energie Graz und Energie Steiermark.

Bürgermeisterin Elke Kahr betonte zu Beginn: „Die Diskussionen über einen Importstopp von Erdöl und Erdgas haben uns auch in der Kommunalpolitik unsere Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen vor Augen geführt. Daher sind wir froh, dass sich die bereits 2013 gegründete Arbeitsgruppe 'Wärmeversorgung Graz 2030/2040' parallel zum erfolgreichen Fernwärmeausbau in den letzten Jahren auch mit der Entwicklung zukunftsweisender Projekte für ein emissionsarmes und nachhaltiges Fernwärmesystem für den Großraum Graz beschäftigt hat. Darauf können wir jetzt aufbauen und gemeinsam an der Wärme-Wende für Graz arbeiten".

Für Bürgermeisterin-Stellvertreterin Judith Schwentner ist „die Klimakrise, noch verschärft durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, ökologisch und sozial die größte Herausforderung vor der wir weltweit stehen." Für Graz heißt das konkret: „Eine aktive Klimaschutzpolitik ist unabdingbar. Im Kontext der Wärmeerzeugung ist der Ausstieg aus Öl und Gas ebenso unumgänglich wie die bereits erfolgte Sichtung von Alternativen. Das Energiewerk Graz ist ein wichtiger Baustein für ein emissionsarmes und nachhaltiges Fernwärmesystem. Dazu wurde eine umfassende Studie durchgeführt: Eine moderne lokale Kreislaufwirtschaft, in welcher selbstverständlich Abfallvermeidung und Recycling höchste Priorität haben, gilt es jetzt schnell umzusetzen."

SPÖ-Klubobmann Michael Ehmann erklärte: „Nachhaltige Großprojekte schaffen sowohl in der Bau- als auch in der Betriebsphase Arbeitsplätze und bringen enorme Wertschöpfung nach Graz. Darüber hinaus setzen wir damit einen ganz wesentlichen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und Unabhängigkeit: Somit ist das in jeder Hinsicht ein Projekt mit und für die Zukunft!"

Vervierfachung

Der Leiter des städtischen Umweltamtes Werner Prutsch, der auch der Arbeitsgruppe "Wärmeversorgung" vorsteht, konnte in selbiger 140 ExpertInnen aus unterschiedlichsten Disziplinen versammeln. Der Arbeitszeitraum wurde von ursprünglich 2020/2030 nun auf 2030/2040 erweitert: „Ergänzend zu diesem Ausbau hat die Arbeitsgruppe 'Wärmeversorgung Graz 2030/2040' bestehend aus Energie Graz, Energie Steiermark Wärme, Holding Graz, Land Steiermark Referat für Energietechnik und Klimaschutz und der Grazer Energieagentur unter der Leitung des Grazer Umweltamtes mitgeholfen, mehrere Projekte aus dem Bereich der Alternativenergie umzusetzen."

Unter anderem wurden in diesem Prozess die Abwärmenutzung von der Papier- und Zellstofffabrik Sappi Gratkorn, die Nutzung für Niedertemperaturabwärme aus dem Stahl- und Walzwerk Marienhütte für den Stadtteil Reininghaus sowie das thermosolare Speicherprojekt „Helios" realisiert. Dank dieser Maßnahmen konnte so der Anteil der Aufbringung aus erneuerbaren Quellen und Abwärme von rund 70 GWh im Jahr 2015 auf rund 300 GWh im Jahr 2020 mehr als vervierfacht werden. Der Anteil der Fernwärmeaufbringung aus alternativen Quellen liegt aktuell bei rund 22 Prozent.

Vorreiterrolle und konsequentes Verfolgen

Holding Graz Vorstandsvorsitzender Wolfgang Malik ist überzeugt: „Der Konzern Holding Graz war als Verteiler und Nutzer von Energie schon immer an einer alternativen Aufbringung im Sinne einer effizienten Kreislaufwirtschaft interessiert. Wir versuchten immer eine Vorreiterrolle einzunehmen: Vor 20 Jahren mit der weltweit einzigen Biodiesel-Busflotte mit Altspeiseöl oder später die effiziente Nutzung der industriellen Abwärme des Stahlwerks Marienhütte oder der Papierfabrik Sappi bis hin zu attraktiven Bürgerbeteiligungsmodellen bei PV-Solaranlagen und - nicht zu vergessen - zuletzt das neue Murkraftwerk in Graz zur Eigenversorgung. Es war stets ein schwieriger Wettbewerb zwischen den fossilen und den alternativen Angeboten. Die aktuelle Entwicklung um die Gasaufbringung und Preisentwicklung dynamisiert die Forderung für einen forcierten Ausstieg aus der fossilen Versorgung. Deshalb haben wir im Konzern gemeinsam mit unseren Partnern Dekarbonisierungsstrategien sowohl für die Energie als auch Mobilität ausgearbeitet. So gibt es einen positiven Entscheid für unsere 'move2zero Strategie' - die Förderung der ersten 17 Busse wurden am Wochenende vom BMK fix zugesagt. Dabei sprechen wir von 15 Millionen Euro. Sowohl die Umrüstung der gesamten Busflotte und auch die Dekarbonsierung wird nicht von heute auf morgen fertig und umgesetzt sein. Wir werden sie mit unserer Energie Graz aber konsequent verfolgen und in Stufen realisieren."

Sieben Dekarbonisierungsprojekte bis 2030

Holding Graz Vorstand Gert Heigl unterstrich: „Trotz vieler Anstrengungen und Erfolge ist Erdgas aktuell der wesentliche Primärenergieträger für die Fernwärmeversorgung im Großraum Graz. Vor allem mit dem Energiewerk Graz und der energetischen Klärschlammverwertung wird ein wesentlicher Beitrag zur weiteren Ökologisierung sowie zur Reduktion von externen Abhängigkeiten im Energie- und Abfallbereich geleistet. Die Umsetzung der genannten Projekte ist in Hinblick auf eine nachhaltige Dekarbonisierung jedenfalls erforderlich. Neben der zukunftssicheren Versorgung mit Fernwärme wird auch eine langfristige Entsorgungssicherheit von lokalen Reststoffen garantiert. Dabei ist Graz laut Werner Prutsch aufgrund der Größe des Fernwärmenetzes am besten mit Linz und Wien vergleichbar, wo bereits seit Jahrzehnten auch eigene Reststoffe zur nachhaltigen und ressourcenschonenden Wärmeaufbringung genutzt werden."

  • Ab 2029 Energiewerk Graz mit ca. 185 GWh jährlich
  • Ab 2022 1. Erweiterung Abwärmenutzung aus dem Papier- und Zellstoffwerk Sappi Gratkorn mit ca. 40 GWh jährlich
  • Ab 2023 Abwärmenutzung aus der revitalisierten Gasturbine-Thondorf mit ca. 135 GWh jährlich
  • Im Endausbau ab 2024 zusätzliche Restabwärmenutzung Marienhütte mit bis zu 15 GWh jährlich
  • Ab 2026 2. Erweiterung Abwärmenutzung aus dem Papier- und Zellstoffwerk Sappi Gratkorn mit ca. 50 GWh jährlich
  • Ab 2026 Biomasseanlage mit solarem Speicherprojekt BioSolar Graz mit ca. 200 GWh jährlich
  • Ab 2028 Energetische Klärschlammverwertung (EKV) und Abwärmenutzung aus der Kläranlage der Stadt Graz in Gössendorf mit ca. 36 GWh jährlich




Studie ergibt zwei konkrete Standorte für innovative Anlagen

Um auch für die Landeshauptstadt Graz Möglichkeiten auszuloten, stadteigene Ressourcen (Reststoffe und Klärschlämme) zur nachhaltigen und ressourcenschonenden Wärmeaufbringung zu nutzen, wurden von Holding Graz, Energie Steiermark und Energie Graz in enger Abstimmung mit dem Umweltamt der Stadt Graz entsprechende Untersuchungen durchgeführt. Die bereits im 2. Quartal 2020 in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie sieht im Sinne einer lokalen Kreislaufwirtschaft und unter strikter Einhaltung der sogenannten „Abfallhierarchie" die Verwertung nicht recyclingfähiger Reststoffe aus Rest- und Sperrmüll sowie von biogenem Klärschlamm in hocheffizienten Anlagen vor, die daraus Wärme, Strom und Wasserstoff für den Großraum Graz bereitstellen.

Als bestgeeigneter Standort für das Energiewerk Graz wurde in den durchgeführten Untersuchungen das Gelände des Fernheizkraftwerkes Graz (Puchstraße) identifiziert. Für die Energetische Klärschlammverwertung (EKV) ergab die Untersuchung das Gelände der städtischen Kläranlage in Gössendorf als Standort.

Energiewerk Graz und EKV als energie- und umweltpolitische Meilensteine

Mit Umsetzung des Projekts wäre in Graz ein wichtiger Schritt zur Unabhängigkeit von höchst volatilen Preisentwicklungen auf internationalen Energiemärkten sowie einem drohenden Wegfall von Erdgasimporten gesetzt. Außerdem wäre Sicherheit für die lokale Wärmeversorgung und die eigene Verwertung der Reststoffe geschaffen. Zugleich ergaben die Untersuchungen auch Einsparungen erheblicher Mengen an CO2-Emissionen durch die Substitution von Erdgas für die Wärmeproduktion und den Wegfall von zumindest 1.000.000 Transportkilometern. Darüber hinaus könnten mit Realisierung eines auf die regionalwirtschaftlichen Bedürfnisse hin ausgerichteten Energiewerks Graz, dank des Einsatzes hocheffizienter Technologien wie z.B. einem Kraft-Wärme-Koppelungsverfahren, auch Produktionskapazitäten für die Wasserstofferzeugung geschaffen werden, wodurch die schrittweise Dekarbonisierung von Bussen der Graz Linien sowie Sammelfahrzeugen der Graz Abfallwirtschaft umgesetzt werden kann.

Die Integration eines 8.000 m³ großen Wärmespeichers rundet die energieeffiziente Gesamtkonzeption der Untersuchungen ab. Als nächsten Schritt wird die Energie Graz detaillierte Untersuchungen durchführen und die notwendigen Unterlagen für das UVP Verfahren vorbereiten.

Erreichbare Effekte durch die Nutzung stadteigener Ressourcen zur Energieversorgung:

  • Durch die thermische Verwertung der Reststoffe und Klärschlämme wird Fernwärme für 30.000 Wohnungen in Graz bereitgestellt. Jetzt wird dafür importiertes Erdgas eingesetzt. Es werden ca. 22.000 Tonnen CO2-Emissionen aus der Erdgasverbrennung vermieden.
  • Reduktion der überregionalen und innerstädtischen Verkehrsbelastung: Einsparung von zumindest 1.000.000 Transportkilometern gegenüber Status quo.
  • Beschäftigung und Wertschöpfung sind wertmäßig relevant und zeitlich nachhaltig: 100 Arbeitsplätze in der Steiermark.
  • Emissionsfreier Betrieb von 60 Bussen und LKW mit Wasserstoff.



Quelle: Stadt Graz



  Markiert "tagged" als:
  Kategorien: