Wien: Who Cares? Jüdische Antworten auf Leid und Not
Foto: © Kunsthandel Widder, Wien
Das Jüdische Museum Wien, ein Museum der Wien Holding, zeigt ab 31. Jänner 2024 die Ausstellung „Who Cares? Jüdische Antworten auf Leid und Not“. Die Ausstellung beleuchtet die universellen Herausforderungen, denen die Menschheit angesichts von Gewalt, Krankheit, Armut, Depression oder Katastrophen gegenübersteht. Leid und Not können jede*n treffen, auf Hilfe ist jeder Mensch irgendwann angewiesen. Die Ausstellung zeigt künstlerische Auseinandersetzungen mit dem Thema, historische Objekte und stellt Personen und Institutionen vor, die trotz ihrer bedeutenden Beiträge zum Allgemeinwohl weitgehend in Vergessenheit geraten sind.
Wurzeln des sozialen Engagements im Judentum
Das Bedürfnis zu helfen ist tief im Judentum verwurzelt und findet sich in den jüdischen Geboten der „Zedaka“ (Wohltätigkeit) und des „Tikun Olam“ (Reparatur der Welt). Das Judentum betont den hohen Wert des menschlichen Lebens und richtet sich nicht nur auf spirituelle Aspekte, sondern auch auf das Diesseits aus. Das Gebot der Zedaka, das Geben an Bedürftige, zielt darauf ab, ein würdiges und gerechtes Leben zu schaffen und verpflichtet alle gleichermaßen. Der Begriff Tikun Olam bedeutet die Verbesserung oder Reparatur der Welt und hat sich von ursprünglich rechtlichen Bestimmungen für das Gemeinwohl zu einer breiteren sozialen sowie ökologischen Aktivität entwickelt. Es steht für jegliche Form sozialen Engagements zur Verbesserung der Welt, einschließlich Umweltschutz und nachhaltigem Verhalten.
Wien als Zentrum medizinischer Fürsorge seit dem 19. Jahrhundert
Ausgehend von den jüdischen Geboten unternimmt die Ausstellung einen Rundgang durch Wien als Zentrum medizinischer Forschung und Ort psychologischer sowie sozialer Fürsorge vom 19. Jahrhundert bis heute. Dabei werden bedeutende Leistungen von jüdischen Ärzt*innen ebenso reflektiert wie die oft vernachlässigte Geschichte von Frauen als Mütter, Hebammen, Krankenschwestern und sozialen Fürsorgerinnen. Die Schau würdigt historische Persönlichkeiten aus der Wiener Stadtgeschichte wie Sigmund Freud, Julius Tandler, Margarete Hilferding oder Henriette Weiss, die bedeutende Care-Institutionen begründeten oder leiteten.
Die Bedeutung von „Care“ im Nationalsozialismus
Während der Zeit des Nationalsozialismus stellte Care-Arbeit für die jüdische Bevölkerung eine enorme Herausforderung dar. Das NS-Regime zerstörte lange gewachsene Strukturen und schränkte die Arbeit jüdischer Ärzt*innen drastisch ein. Die jüdische Bevölkerung war nicht nur medizinisch, sondern auch psychologisch und sozial stark unterversorgt. Trotz lebensgefährlicher Bedingungen bemühten sich jüdische Fürsorgeeinrichtungen inmitten dieser Extremsituation für die Gemeinschaft zu sorgen. Nach dem Krieg übernahmen internationale jüdische Hilfsorganisationen die Versorgung der Überlebenden. Interkonfessionelle wie supranationale Aspekte werden als Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg betont.
Globale Herausforderungen für Care
Angesichts der Dringlichkeit globaler Herausforderungen wie Krieg, Terror und Klimakatastrophen betont die Ausstellung die Notwendigkeit, das Trennende zu überwinden und das Einende als das Prinzip in der Bekämpfung des globalen Elends zu erkennen. Denn auch heute sind menschliche Empathie und Solidarität unentbehrlich für ein friedliches Zusammenleben. Während die medizinische Wissenschaft allgemein als Grundlage für Heilung angesehen wird, sind andere Bereiche des Caring bis in die Gegenwart aus der öffentlichen Wahrnehmung ausgeblendet – dabei sind es gerade sie, die die Welt im Innersten zusammenhalten.
Who Cares? Jüdische Antworten auf Leid und Not
ist von 31. Jänner 2024 bis 1. September 2024 im Jüdischen Museum Wien Dorotheergasse, einem Museum der Wien Holding, zu sehen. Zu der von Caitlin Gura und Marcus G. Patka kuratierten und von Bienenstein visuelle Kommunikation und Gerhard Veigel, Museums- und Ausstellungsservice gestalteten Ausstellung erscheint ein Katalog zum Preis von 29,90 € im Residenz Verlag mit umfassenden Beiträgen mit neuen Einblicken von Domagoj Akrap, Herwig Czech, Gerhard Langer, Elisabeth Malleier, Ilse Reiter-Zatloukal, Klaus Taschwer, Daniela Schmid und Liliane Weissberg, sowie den Kurator:innen. Das Jüdische Museum Wien, Dorotheergasse 11, 1010 Wien, ist von Sonntag bis Freitag 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der zweite Standort, Museum Judenplatz, Judenplatz 8, 1010 Wien, ist von Sonntag bis Donnerstag von 10 bis 18 Uhr, freitags 10 bis 14 Uhr (Winterzeit) bzw. 17 Uhr (Sommerzeit) geöffnet.
Weitere Informationen unter www.jmw.at oder [email protected].
Quelle: Stadt Wien