Wien: Wien schafft neuen Eltern-Familienzuschlag in der Mindestsicherung
Untersuchung zeigt: Vor allem Kinder sind Leidtragende bei Sozialleistungs-Kürzungen
In Wien wird es eine Novelle des Wiener Mindestsicherungsgesetzes geben, die eine Neuerung für Alleinerziehende und Paare mit Kindern bringt: Den neuen Eltern-Familienzuschlag. In der kommenden Sitzung des Gemeinderatsausschusses für Soziales, Gesundheit und Sport am 9. November 2023 wird eine dementsprechende Novelle auf den Weg gebracht und soll in der darauffolgenden Landtagssitzung am 23. November 2023 beschlossen werden und tritt am 1. Jänner 2024 in Kraft.
„Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz des Bundes und das damit einhergehende VfGH-Erkenntnis sind sozialpolitisch schmerzhaft, da sie das Ziel der Armutsbekämpfung erschweren. Wir dürfen nicht vergessen: Auch wenn diese Krise für viele Haushalte überwunden scheint, wird sie für Menschen in Armut noch lange Zeit weitergehen. Nichtsdestotrotz habe ich umgehend nach dem VfGH-Erkenntnis die Magistratsabteilung 40 damit beauftragt, eine Lösung für die Betroffenen zu finden. Für die allermeisten betroffenen Haushalte ist dies gelungen, gerade bei jenen, die besonders armutsgefährdet sind – Haushalte mit Kindern. Darüber hinaus schafft der neue Eltern-Familienzuschlag eine zusätzliche Leistung für Alleinerziehende. Wir haben damit bewiesen, dass wir zu unserem Wort stehen: In Wien lassen wir niemanden zurück.“, so Sozialstadtrat Peter Hacker.
Neuer Eltern-Familienzuschlag bringt Verbesserung für Alleinerziehende und kompensiert Verluste für Paare mit Kind
Die durch das Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis notwendig gewordene Kürzung hätte für rund 13.000 Haushalte einen Verlust von monatlich 105,36 Euro (Stand: 2023) zur Folge gehabt – drei Viertel davon Familien mit minderjährigen Kindern. Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz des Bundes brachte eine Kürzung der so genannten Paarsätze, die vom VfGH bestätigt wurde.
„Der VfGH hat nicht in der Sache entschieden, und beispielsweise in die Höhe der Richtsätze des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes eingegriffen, denn die Definition der Armutsgrenze ist eine politische Entscheidung und keine verfassungsrechtliche. Daher war diese Kürzung zu erwarten, wiewohl sie sozialpolitisch schmerzhaft ist.“, so Sozialstadtrat Peter Hacker.
Mit dem neuen Eltern-Familienzuschlag wird im Wiener Mindestsicherungsgesetz ein neuer Paragraf 11b eingefügt. Dieser regelt die neue dauerhafte Unterstützungsleistung für armutsbetroffenen Familien – in Höhe von 4,5 Prozent des Ausgleichszulagen-Richtsatzes – die „der Deckung eines Sonderbedarfs einer höheren finanziellen Belastung sowie einer angemessenen Lebensführung von erziehenden Personen“ dient.
Bei 10.000 Paaren mit Kindern kann der monatliche Verlust dadurch nahezu gänzlich kompensiert werden. Während bei ihnen auf der einen Seite monatlich 105,36 Euro abgezogen werden müssen, beträgt der neue Eltern-Familienzuschlag für sie insgesamt 94,82 Euro (47,41 Euro pro Person) monatlich. Die neue Regelung kommt auch einer weiteren besonders armutsbetroffenen Gruppe in der Mindestsicherung zu Gute: Alleinerziehenden. Auch sie erhalten 47,41 Euro pro Monat zusätzlich. Bei rund 3.000 kinderlosen Paaren wird die Kürzung voll wirksam werden.
Kinder sind Haupt-Leidtragende bei Kürzung von Sozialleistungen
In einer Untersuchung im Auftrag der Stadt Wien geben 79 Prozent der Haushalte mit Mindestsicherung und Kindern an, einen Verlust von 100 Euro pro Monat – das entspricht in etwa der Höhe der durch das VfGH-Erkenntnis notwendig gewordenen Kürzung – nur schwer bzw. sehr schwer verkraften zu können. Zusätzlich geben 16 Prozent an, einen solchen Verlust eher schwer verkraften zu können.
Die größten Probleme würden insbesondere beim Bestreiten der monatlichen Kosten für Miete und Energie entstehen. So geben 55 Prozent der Haushalte mit Mindestsicherung und Kindern an, dass sie Probleme haben, die Miete pünktlich zu bezahlen bzw. sie bereits schuldig geblieben sind. Noch höher sind diese Werte beim Bestreiten der Strom-/Energiekosten. Hier geben 63 Prozent der Haushalte mit Mindestsicherung und Kindern an, Probleme zu haben, diese Kosten pünktlich zu bezahlen bzw. diese bereits schuldig geblieben sind.
Diese Probleme führten dazu, dass ebendiese Haushalte Einsparungen durchführen müssen, um diese Belastungen zu bestreiten. Die Untersuchung zeigt eindeutig, dass Haushalte mit Mindestsicherung und Kindern vor allem bei den Kindern selbst sparen mussten. 57 Prozent der Haushalte gaben an, dass sie bei Bekleidung und Schuhen eingespart haben. 34 Prozent gaben an, dass sie kleinere Ausgaben wie Kino, Eis essen, Zeitschriften eingespart haben. 33 Prozent sparten bei ihren Kindern bei der Teilnahme an Schulausflügen, Sommercamps, Skikursen oder aber auch bei Sport- und Spielgeräten. Rund ein Viertel der Betroffenen hat sogar bei Lernmaterialien und Nachhilfe gespart. Zu beachten wäre hierbei, dass Mehrfachnennungen möglich waren. Somit ist davon auszugehen, dass in mehreren Bereichen gleichzeitig eingespart wurde.
Diese Ergebnisse bestätigen auch andere Studien, die besagen, dass Einkommensverluste direkten Einfluss auf die Kinder insbesondere in Bezug auf Ernährung, Bildung, soziale Teilhabe und Kleidung und damit auf deren künftige Entwicklung (Analyse von Gesundheit, Wohn- und Lebensbedingungen von Armut betroffener Familien, Aigner et al., 2023) haben. Die Ergebnisse der städtischen Untersuchung untermauern das, da aus den Nennungen der Betroffenen hervorgeht, dass diese Einsparungen die soziale Ausschließung weiter verstärken und zusätzliche Auswirkungen auf die Gesundheit der Kinder durch mangelhafte sportliche Betätigung zu befürchten sind.
Die einmaligen Unterstützungsleistungen der Stadt Wien zum Meistern der Teuerung haben Haushalten mit Mindestsicherung und Kindern geholfen und ihre Situation erleichtert. So geben 48 Prozent der besagten Haushalte an, dass der Wiener Wohnbonus ihre Situation besonders erleichtert hat – beim Wiener Energiebonus waren das 47 Prozent. Diese Leistungen wurden überwiegend für laufende Ausgaben des Haushalts (58 Prozent) und für den Abbau von Energie- oder Mietrückständen (26 Prozent) verwendet. Wiewohl diese einmaligen Leistungen die Betroffenen unterstützt haben, hätten sie eine dauerhafte monatliche Kürzung in der Mindestsicherung nicht annähernd kompensieren können, weshalb im Rahmen der Mindestsicherung strukturell gegengesteuert wurde.
Hinweise zur Untersuchung
Im Zeitraum vom 5. bis 22. Oktober 2023 erfolgte im Auftrag der Magistratsabteilung 40 (Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht) der Stadt Wien eine anonymisierte Untersuchung von OGM research & communication unter Personen, die im August 2023 Mindestsicherung bezogen haben. Die Fragebogen wurden in den Sprachen Deutsch, Englisch, Bosnisch-Kroatisch-Serbisch, Türkisch, Arabisch und Farsi ausgesandt. 3.381 vollständige und geprüfte Interviews bilden die Grundlage für die oben genannten Auswertungen mit einer maximalen Schwankungsbreite von ±1,7 Prozent. Die Befragten wurden mit einem postalischen Einladungsschreiben durch die MA 40 kontaktiert. Anschließend erfolgte eine Push-To-Web-Befragung mit Link/QR-Code und Passwortschutz mittels CAWI-Online-interviews, ergänzt um CAPI-Telefoninterviews bei Zielhaushalten ohne Internetzugang.
Quelle: Stadt Wien