Wien: Wiener Gesundheitsverbund - Negative Campaigning der Ärztekammer löst keine Probleme
Standesvertretung muss Teil der Lösung werden
Die Wiener Ärztekammer hat mit ihrem Aufruf zur Verfassung von Gefährdungsanzeigen offenbar den Startschuss für eine regelrechte Schmutzkübelkampagne gegeben. Ärzt*innen im Wiener Gesundheitsverbund werden in eigens dazu veranstalteten Seminaren nicht nur darüber informiert, wie Gefährdungsanzeigen zu verfassen sind, sondern dazu motiviert, möglichst viele dieser Anzeigen zu verfassen. Zu diesem Zweck sollen die eigentlichen Referatstätigkeiten der Kolleg*innen hintangestellt werden. „Die geplante Kampagne wird für viel Verunsicherung und fragwürdige mediale Berichterstattung sorgen“, ist Evelyn Kölldorfer-Leitgeb, Generaldirektorin des Wiener Gesundheitsverbundes überzeugt. „Die Aktionen werden mit Sicherheit nicht dazu beitragen, dass sich mehr Menschen für die Arbeit in unseren Kliniken entscheiden. Das Bild, dass damit erzeugt wird, ist fatal“ so Michael Binder, Medizinischer Direktor des Wiener Gesundheitsverbundes. Kölldorfer-Leitgeb ruft zur konstruktiven Mitarbeit auf: „Die Standesvertretung der Ärzt*innen muss endlich Teil der Lösung werden, anstatt ausschließlich auf Probleme hinzuweisen.“
Sachliche Kritik ja, pure Polemik nein
Gefährdungsanzeigen sind ein wichtiges Instrument des Klinikmanagements. Es dient dazu, auf Engpässe in der Organisation hinzuweisen – und zwar bevor sich daraus Gefahrensituationen für Mitarbeiter*innen und Patient*innen ergeben. Die Bedeutung des Instruments erfordert daher auch einen sorgsamen Umgang. „Alle Berufsgruppen im Wiener Gesundheitsverbund verfolgen über alle Hierarchieebenen hinweg ein gemeinsames Ziel: und zwar unsere Patient*innen bestmöglich zu versorgen“, sagt Kölldorfer-Leitgeb. „Wenn es zu Engpässen kommt, welche die Versorgungsqualität beinträchtigen, dann erarbeiten die interdisziplinären Teams in unseren Kliniken gemeinsam Lösungen.“ In Zeiten des allgemeinen Fachkräftemangels wird diese Aufgabe immer herausfordernder. „Niemand stellt in Abrede, dass es immer schwieriger für unsere Gesundheitseinrichtungen wird, ausreichend qualifizierte Pflegefachkräfte und in manchen medizinischen Fächern auch ausreichend Ärzt*innen zu rekrutieren. Das Problem haben alle Kliniken – in ganz Europa. Die Verantwortung für diese Situation ausschließlich bei den anderen zu suchen, ist aber wenig hilfreich. Und die Polemik der aktuellen Ärztekammer-Kampagne wird garantiert nicht zur Entspannung am Fachkräftemarkt beitragen.“
Wiener Gesundheitsverbund dreht an vielen Stellschrauben
Das Thema Fachkräftemangel beschäftigt den Wiener Gesundheitsverbund bereits seit Jahren. Viele der zentralen Veränderungen in der Organisation zielen darauf ab, diesem Fachkräftemangel entgegen zu wirken. So wurden im Wiener Gesundheitsverbund hunderte zusätzliche Dienstposten geschaffen, insbesondere im Pflege- und im ärztlichen Bereich. Die Anzahl der Ausbildungsplätze im Bereich Pflege wird laufend aufgestockt – bis 2024 auf 4.100. Mit massiven Investitionen in seine Campi wurde die Attraktivität der Ausbildungsstandorte erhöht. Im Juni dieses Jahres wurde das größte Klinik-Modernisierungsprogramm in der Geschichte des Wiener Gesundheitsverbundes im Umfang von mehreren Milliarden Euro präsentiert. Vereinfachungen in der Struktur werden in den kommenden Jahren mittel- und langfristig ebenfalls Verbesserungen für die Mitarbeiter*innen bringen. „Wir haben in den vergangenen Jahren unzählige Maßnahmen in verschiedenen Bereichen gesetzt“, sagt Kölldorfer-Leitgeb. „Denn wir nutzen alle Möglichkeiten, die wir haben. Aber wir sind auch auf die Mithilfe anderer Akteure angewiesen. Und es geht nicht immer nur ums Geld.“
Ganz konkret erwartet sich der Wiener Gesundheitsverbund etwa ein rasches Reagieren der Ärztekammer in Bezug auf die strikten Ausbildungsschlüsel in aktuellen Mangelfächern. Diese Begrenzungen der Ausbildungsschlüssel haben nachteilige Auswirkungen, da nicht nur bereits jetzt, sondern auch in Zukunft zu wenige Fachärzte zur Verfügung stehen werden. „Besonders in medizinischen Mangelfächern wäre eine rasche Erweiterung des Ausbildungsschlüssels und eine Anpassung der Ausbildung vonnöten,“ fordert Michael Binder, Medizinischer Direktor des Wiener Gesundheitsverbundes. Und auch der Bund ist in der Pflicht. „Im letzten Studienjahr haben sich in Österreich rund 16.000 Personen zum Aufnahmetest fürs Medizinstudium angemeldet. Nur 1.850 (1706 Humanmedizin und 144 Zahnmedizin) von ihnen wurden zum Studium zugelassen“, so Binder weiter. „Wir brauchen einerseits eine verlässliche Prüfung des zukünftigen Bedarfes für die einzelnen klinischen Sonderfächer und ein darauf abgestimmtes Zulassungsverfahren, die nicht ausschließlich auf dem Ergebnis eines Fragebogentests beruhen.“
Quelle: Stadt Wien