Wien: Wiener Integrationsrat empfiehlt Fokus auf Deutschförderung und Elternarbeit an Wiener Bildungseinrichtungen
Foto: PID/Markus Wache
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Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr: „Bildung ist Schlüssel für gelungene Integration.“
Im Rahmen einer Pressekonferenz präsentierte der W.I.R. – der Wiener Integrationsrat sein drittes Statement zu den Herausforderungen der Migrationsstadt Wien im Bereich des Bildungssystems. Die krisenhaften Entwicklungen der letzten Jahre haben das Wiener Bildungssystem vor nie dagewesene Herausforderungen gestellt, die Bildungsschere zwischen Kindern aus Familien mit und ohne Migrationsgeschichte ist dadurch weiter aufgegangen, konstatiert der Wiener Integrationsrat. Sowohl die COVID-19 Pandemie, der Ukraine-Krieg als auch der aktuelle Pädagog*innenmangel hätten dazu geführt, dass die Bildungschancen von Schüler*innen aus bildungsärmeren Familien massiv eingeschränkt wurden.
Superdiverse Klassen und Deutsch als gemeinsame Verkehrssprache
„In einer migrationsgeprägten Stadt wie Wien sind die multiplen, bildungsbezogenen Herausforderungen, die es zu meistern gilt, besonders hoch. Die Wiener Schulen zeichnen sich durch superdiverse Klassen aus. Dadurch bilden sich vermehrt sprachlich-gemischte Freundesgruppen und Deutsch setzt sich zunehmend als gemeinsame Verkehrssprache durch. Was jedoch deutlich wird, ist, dass die Deutschkenntnisse – sowohl bei jünger zugewanderten als auch bei länger ansässigen migrantischen Familien – unzureichend sind“, sagt Kenan Güngör, Experte für Integrations- und Diversitätsfragen und Mitglied des Wiener Integrationsrates.
Auch die frühe schulische Segregation von Schüler*innen in unterschiedliche Schulformen verstärke diese Problematik. Es brauche hier umfassende Schulentwicklungsprozesse, in die alle Schulpartner*innen eingebunden werden.
Elternarbeit wichtig, Schule aber hauptverantwortlich für Bildungserfolg
Der Wiener Integrationsrat empfiehlt der Stadt daher die systematische Einbindung der Eltern bereits ab dem Kindergarten mittels Elternberatung und Dolmetscher*innen sowie Deutsch- und Alphabetisierungskurse direkt an den Standorten. Für den weiteren Bildungserfolg muss allerdings weiterhin primär die Schule verantwortlich bleiben. „Es darf zu keiner Auslagerung des Bildungserfolgs in die Familien kommen, denn damit wären bildungsferne Familien noch mehr überfordert und die bestehende soziale Ungleichheit würde weiter verschärft“, so Güngör.
Zusätzlich soll das Angebot an Ganztagsschulen weiter ausgebaut werden, zudem muss die flächendeckende ganztägige Betreuung an Wiener Pflichtschulen klare Zielvorgabe sein.
Deutschförderung an Bildungseinrichtungen neu denken
Das aktuelle Modell der Deutschförderklassen muss, wie auch die jüngst bekannt gewordene Evaluierungsstudie zeigte, weiterentwickelt werden. Der Wiener Integrationsrat sowie Bildungspsychologin Christiane Spiel fordern in diesem Zusammenhang mehr Autonomie für die Schulen bei der Umsetzung der Deutschförderung, die Weiterentwicklung des MIKA-D Tests sowie den ausschließlichen und professionalisierten Einsatz von Lehrpersonen mit der Ausbildung Deutsch als Zweitsprache.
Bildungspsychologin Christiane Spiel: „Es ist eine zentrale Vorrausetzung sowohl für die Integration als auch für die weitere Bildungskarriere, dass Kinder mit Migrationshintergrund die bestmögliche Deutschförderung erhalten. Die Deutschförderung in der Schule sollte daher nicht automatisch nach zwei Jahren enden, sondern bei Bedarf muss eine Weiterförderung möglich sein und auch finanziert werden.“
Weiters wird die Sensibilisierung aller Lehrpersonen für die Deutschförderung empfohlen – auch in der Sekundarstufe. Wichtig ist vor allem, dass die Weiterentwicklung der Deutschförderung sowie Reformmaßnahmen im Schulsystem generell stets wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden, auch die Implementierung von Maßnahmen sollte langfristig begleitet und gemonitort werden.
Stadt Wien legt Schwerpunkt auf Stärkung von Kindergärten und Schulen
„Bildung ist der Schlüssel für gelungene Integration“, sagt Vizebürgermeister und Stadtrat für Bildung und Integration Christoph Wiederkehr. „Wir müssen die Wiener Bildungseinrichtungen mit mehr Unterstützungspersonal stärken, um Kinder und Jugendliche bestmöglich auf ihrem Bildungsweg zu begleiten. Mit dem Modell der Sprachförderkräfte und Sprachberater*innen unterstützen wir Kinder bereits im Kindergarten in ihrer sprachlichen Entwicklung. Unser Ziel ist, im nächsten Jahr 100 zusätzliche Sprachförderkräfte anzustellen. Langfristig ist das zweite verpflichtende Kindergartenjahr unabdingbar, um Kinder frühzeitig zu fördern.“
Im vergangenen Jahr wurden die Assistent*innenstunden in den Kindergartengruppen verdoppelt (von 20 auf 40 Stunden), um Elementarpädagog*innen zu entlasten. Dem Fachkräftemangel wird im Bereich Elementarpädagogik mit einer Imagekampagne entgegengewirkt. Außerdem wird es Quereinsteiger*innen gemeinsam mit dem waff erleichtert in den Beruf als Kindergartenpädagog*in zu wechseln, wobei auch das Ausbildungsgeld erhöht wurde.
Des Weiteren setzt die Stadt verstärkt auf die Einbindung von Eltern ins Kindergarten- und Schulsystem. Kostenlose Elternbildungsworkshops für Schulen stehen künftig auch Kindergärten zur Verfügung. Denn mehr als ein Drittel der Wiener Eltern von Kindern im schulpflichtigen Alter haben ihre Bildungslaufbahn nicht in Österreich absolviert.
Information und Aufklärung zum Bildungssystem sowie Unterstützung beim Deutschlernen mit Kursen wie „Mama lernt Deutsch“ sind zentrale Pfeiler der Integrationsarbeit der Stadt Wien Abteilung für Integration & Diversität.
Dringender Handlungsbedarf im Bereich Deutschförderung
„Deutschförderung in der Schule ist extrem wichtig, wir müssen aber die geeigneten Maßnahmen dafür einsetzen. Im Sinne der Schulautonomie sollten Schulen selbst entscheiden können, welche Art der Förderung für ihren Standort und für ihre Schüler*innen angemessen ist. Was wir in Wien beobachten ist, dass die ganztägige Betreuung vor allem für Kinder aus bildungsfernen Schichten ein zentraler Faktor für den weiteren Bildungserfolg ist. Daher entstehen pro Jahr im Schnitt 10 zusätzliche kostenfreie Ganztagsschulen“, so der Bildungsstadtrat.
Bei der Vergabe der Plätze sollen dabei künftig sozioökonomische Kriterien stärker berücksichtigt werden, um die soziale Durchmischung sicherzustellen. Auch der Einsatz von Lehrpersonen mit der Ausbildung Deutsch als Zweitsprache im Bereich der Deutschförderung soll forciert werden. Zudem werden durch das Schulentwicklungsprojekt „Wiener Bildungsversprechen“ an 10 Schulen alle Schulpartner*innen einbezogen, um stärkende Maßnahmen und Entlastungsfaktoren für Schulen zu identifizieren – weitere Schulen folgen.
„Angesichts der massiven Herausforderungen an Wiener Schulen im Vergleich zu den anderen Bundesländern brauchen wir dringend mehr Ressourcen vom Bund sowie einen österreichweiten Chancenindex!“, sagt Vizebürgermeister Wiederkehr abschließend.
Das vollständige Statement ist unter: www.wien.gv.at/integrationsrat abrufbar.
Quelle: Stadt Wien