Wien: Wiener Landes Kinder-und Jugendhilfereferent*innenkonferenz:

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Wien

24 Okt 17:00 2021 von Redaktion Salzburg Print This Article

Forderung nach Tagsatzerhöhung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge an den Bund


Im Flemmings Hotel in der Wiener Josefstadt fand in den letzten beiden Tagen die Wiener Landes Kinder-und Jugendhilfereferent*innenkonferenz unter dem Vorsitz von Vizebürgermeister und Jugendstadtrat Christoph Wiederkehr statt. Geladen waren alle für die Kinder-und Jugendhilfe zuständigen Landesrät*innen der Länder sowie deren Fachreferent*innen.

Beschluss von mehreren relevanten Themen im Kinder-und Jugendbereich

Beschlossen werden konnte unter anderem, dass die ARGE Kinder- und Jugendhilfe eine Schiedsstelle für den Kostenersatz in Angelegenheiten der Kinder- und Jugendhilfe ausarbeiten wird. Weiters wurden von den anwesenden Landesrät*innen oder deren Vertretungen folgende Beschlüsse gefasst:

Da die Länder seit langem eine durchgängige und einheitliche sozialversicherungsrechtliche Absicherung von Pflegepersonen anstreben, wird der zuständige Bundesminister erneut und mit Nachdruck ersucht, eine Möglichkeit der Selbstversicherung auch für Pflegeeltern zu schaffen. Zur Erarbeitung von Umsetzungsmodellen wird die Einrichtung einer Bund-Länder Expertengruppe unter Federführung des zuständigen Ministeriums gefordert.

Ebenso wird der zuständige Bundesminister ersucht, Gespräche bezüglich der Einbeziehung von Findelkindern inkl. anonym geborener Kinder in die gesetzliche Krankenversicherung auf zu nehmen. Auch wenn die Kinder selbstverständlich bestmöglich medizinisch betreut werden, führt dies dennoch dazu, dass Kosten, die normalerweise von der Krankenversicherung getragen werden für diese kleine und besonders schützenswerte Gruppe nicht von der Krankenversicherung übernommen werden.

Im Jahr 2018 wurde unter Federführung des Bundeskanzleramtes eine Arbeitsgruppe „Schutzeinrichtung für Opfer von Kinderhandel“ mit Vertreter/innen aus den relevanten Ministerien, den Bundesländern, den Kinder- und Jugendanwaltschaften, internationalen Organisationen, Forschungsreinrichtungen und Nichtregierungsorganisationen eingerichtet. Diese hat sich darauf verständigt, dass ein Bedarf zur Errichtung einer solchen bundesweit zugänglichen Schutzeinrichtung besteht, um den Opfern von Kinderhandel in Österreich einen ebenso sicheren Zufluchtsort samt Betreuung durch geschultes Personal zu ermöglichen. Das Bundesministerium für Inneres und das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten werden um Information ersucht, wann mit einer Umsetzung der bundesweiten Schutzeinrichtung für Kinder/Jugendliche, die von Kinderhandel im Bundesgebiet Österreich betroffen sind, zu rechnen ist.


Forderung nach Erhöhung des Tagsatzes für minderjährige Flüchtlinge

Die Tagsätze, die in der Grundversorgungsvereinbarung für Einrichtungen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge vorgesehen sind, werden von Fachexpert*innen als nicht fachgerecht und als zu niedrig bewertet. Mit den vorgesehenen Tagsätzen ist es für die Träger sehr schwierig diese Einrichtungen nach dem aktuellen Stand der Pädagogik zu führen, vor allem hinsichtlich eines adäquaten, den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen angemessenen Betreuungsschlüssels. Insbesondere für Betreuungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche mit hohem Betreuungsbedarf sind wesentlich höhere Tagsätze erforderlich. Daher erging der Beschluss der Kinder-und Jugendhilfereferent*innenkonferenz an Innenminister und Finanzminister zur deutlichen Erhöhung der Tagsätze.

Weiters wird darauf hingewiesen, dass Fahrten von UMF zu Erstbefragungen nicht in Arrestantenwagen vorgenommen werden sollen und dass die Erstbefragung in jenem Bundesland stattfinden soll, in welchem die Kinder und Jugendlichen zuerst angetroffen werden.

Neue Modelle der Existenzsicherung für Kinder und Jugendliche

Die Landes-Kinder- und Jugendhilfereferent*innen fordern die Bundesregierung auf, eine aktuelle Kinderkostenstudie vorzulegen und ein Modell einer nachhaltigen Existenzsicherung im Sinne einer Kindergrundsicherung zu erarbeiten.

Der Wiener Vizebürgermeister und Jugendstadtrat Christoph Wiederkehr betont den konstruktiven Dialog in der Konferenz: „Es war deutlich zu spüren, dass es allen Anwesenden sehr um eine bessere Kinder-und Jugendhilfe geht, denn gerade Kinder und Jugendliche haben unter den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie besonders gelitten. Es freut mich sehr, dass es in der Konferenz Einigkeit darüber gibt, dass Kinderarmut aktiv bekämpft werden muss. Es ist unsere Aufgabe als weltoffene, soziale Stadt, jenen, die unsere Hilfe brauchen, diese auch zukommen zu lassen. Daher ist der Bund nun gefordert, insbesondere die Tagsätze für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge so anzuheben, dass für diese Menschen ein würdiges Leben in einer der schönsten Städte der Welt möglich ist. Wien steht zu seiner sozialen Verantwortung, aber wir brauchen die Rahmenbedingungen, um dieser auch in bestem Maße gerecht werden zu können!“

„Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kommen nach Flucht vor Krieg oder kriegerischen Auseinandersetzungen ohne ihre Eltern nach Österreich und hoffen auf Perspektive, Zukunft, Frieden, Sicherheit und Schutz vor Verfolgung. Sie sind auf sich alleine gestellt, haben ihre Heimat, ihre Familie und ihr soziales Umfeld verlassen und finden sich nach einer oft traumatischen Flucht in einem ihnen unbekannten Land wieder“, beschreibt die in Tirol für Kinder- und Jugendhilfe zuständige Landesrätin Gabriele Fischer die Ankunft von unbegleiteten geflüchteten Kindern und Jugendlichen in Österreich. Ab diesem Zeitpunkt sei schnelles Handeln notwendig, denn umF zählen zu den vulnerabelsten Gruppen, die oft besonderen Risiken ausgesetzt sind, darunter Ausbeutung und sexuelle Gewalt, Menschenhandel, militärische Ausbeutung oder Kinderarbeit. „Die Flucht ohne Familie oder enge Bezugspersonen hinterlässt tiefe Spuren. Um die seelischen Belastung der Flucht nicht zusätzlich zu erschweren, dürfen für die Fahrten zur Erstbefragung sowie für Überstellungsfahrten in die Länder keine Arrestantenfahrzeuge verwendet werden, da dies der Kinderrechtekonvention widerspricht“, stellt LRin Fischer klar.In diesem Zusammenhang stellte LRin Fischer die Organisationsform des Fachteams umF in Tirol als Best-Practice-Beispiel vor: Ein multidisziplinär zusammengesetztes Team, das in drei Aufgabenbereiche aufgeteilt ist, kümmert sich um die Agenden der umF. „Diese umfassende Unterstützung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die ‚unter einem Dach‘ gebündelt zur Verfügung steht, ist in dieser Form österreichweit einzigartig und ermöglicht eine rasche Reaktion im Krisenfall oder wenn ein Kind oder Jugendlicher in Tirol aufgefunden wird“, erläutert LRin Fischer und verweist darauf, dass diese spezialisierte Organisationseinheit für einen umfassend verstandenen Kinderschutz ausdrücklich vom Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) empfohlen wird.

Landesrätin Birgit Gerstorfer betont den dringend notwendigen Ausbau der Schulsozialarbeit in Oberösterreich und fordert eine Kostenbeteiligung des Bundes von 50 Prozent. Angesichts der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und zur Bekämpfung der Kinderarmut plädiert sie für die Einführung einer nachhaltigen Kindergrundsicherung seitens der Bundesregierung. Zusätzlich wird der Bundesminister für Soziales aufgefordert, Pflegeeltern sozialversicherungsrechtlich abzusichern und die Möglichkeit einer Selbstversicherung zu schaffen. Eine Bund-Länder-Expertengruppe soll dazu Umsetzungsmodelle erarbeiten.

Die Kärntner Kinder- und Jugendhilfereferentin Beate Prettner ist überzeugt: „Die Coronakrise bedeutet vor allem auch für Kinder und Jugendliche eine immense Herausforderung – nicht zuletzt für deren mentale und psychische Gesundheit. Wir haben alle Maßnahmen zu setzen, um unserer Jugend bestmöglich durch diese Zeit zu helfen. Tun wir das nicht, werden wir mit immensen Spät- und Langzeitfolgen konfrontiert sein, die zudem ein Vielfaches kosten. Die Bundesländer benötigen für ihre zusätzlichen Angebote die Unterstützung des Bundes: Österreich braucht einen gemeinsamen Kraftakt zum Wohle der jungen und jüngsten Generation. Gerade hier zu sparen, wäre fatal; auch für die Zukunft unseres Landes.“

Auch Salzburgs Landeshauptmann-Stellvertreter Heinrich Schellhorn sieht dies ähnlich: "Die Pandemie hat jungen Menschen sehr zugesetzt und viele Herausforderungen, Belastungen sowie Risiken mit sich gebracht. Eine zentrale Verantwortung von uns Erwachsenen ist, Kinder und Jugendliche zu unterstützen und ihnen ein sicheres Aufwachsen zu ermöglichen. Der flächendeckende Ausbau an Unterstützungsmaßnahmen ist mir ein wichtiges Anliegen bei der heutigen Kinder- und Jugendreferentinnenkonferenz“ betont Schellhorn, zuständig u.a. für Soziales sowie Klimaschutz und ergänzt: „Wir müssen uns aber auch den anderen Zukunftsanliegen der Kinder und Jugendlichen annehmen. Aus meinen Gesprächen mit jungen Menschen weiß ich, wie dringend und wichtig ihnen der Klimaschutz ist. Sie fordern hier zurecht unser entschiedenes Handeln, denn auch das Recht auf eine lebenswerte und saubere Umwelt ist ein UN-Kinderrecht.“

"Die KJH Konferenz war ein wertvoller Austausch von Sachthemen. In diesem Rahmen könnten gemeinsame Vorgangsweisen und Projekte besprochen sowie vertieft werden, wie zum Beispiel die Ausweitung der Schulsozialarbeit", sagt der im Burgenland für Kinder- und Jugendhilfe zuständige Landesrat Leonhard Schneemann.

Im ersten Halbjahr 2022 wird die Steiermark den Vorsitz in der Konferenz der Kinder- und Jugendhilfereferent*innen übernehmen. Soziallandesrätin Doris Kampus zu den aktuellen Aufgaben: „Die Corona-Pandemie hat das Leben von Kindern und Jugendlichen sowie ihren Familien massiv belastet und tut das teilweise immer noch. Diese Auswirkungen auf unsere Kinder und Jugendlichen brauchen daher weiterhin unsere ganze Aufmerksamkeit. Unser Ziel muss es sein, dass wir kein Kind und keine Familie in diesen stürmischen Zeiten zurücklassen. Was an Unterstützung, Beratung und Betreuung notwendig ist, werden wir sicherstellen. Wenn es einen neuen Bedarf oder neue Zielgruppen gibt, werden wir gemeinsam mit Expertinnen und Experten Lösungen anbieten. Mein Ziel ist die langfristige und nachhaltige Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe. Wir dürfen nämlich nicht zulassen, dass eine Generation Corona heranwächst.“


Quelle: Stadt Wien



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