Salzburg: „Bei Katastrophen geht es immer um die Menschen“
Foto: Land Salzburg/Neumayr/Leopold
Interview mit dem Leiter des Katastrophenschutzes des Landes
(LK) Hochwasser, Lawinen, Stürme und Energielenkung sind nur einige Beispiele für die Ereignisse bei denen der Katastrophenschutz des Landes zum Einsatz kommt. Alles, damit die Salzburgerinnen und Salzburger ihren Alltag so sicher und normal wie möglich leben können. Das „Gesicht“ des Landes-Katastrophenschutzes in Salzburg ist Markus Kurcz.
Markus Kurcz ist Leiter des Katastrophenschutzes des Landes Salzburg. In seiner mehr als 20-jährigen Berufserfahrung hat er mit den zuständigen Behörden im Bundesland schon viele Katastrophen gemanagt. Das Landes-Medienzentrum (LMZ) hat ihn zum Interview getroffen und ihn auch gefragt, was ihn antreibt.
Markus Kurcz ist Leiter des Katastrophenschutzes im Land Salzburg: "Wir betreiben ein 7/24-System, durch das wir ständig die Situation im Bundesland monitoren können."
LMZ: Welche Katastrophen der vergangenen Jahrzehnte sind besonders im Kopf geblieben?
Markus Kurcz: Allen voran sind mir die Hochwasser gut in Erinnerung geblieben, also 2002, 2005, 2013 und natürlich 2021 – und vor allem jene im Oberpinzgau. Aber auch Lawinenereignisse wie 2006, 2012 und 2019 – wobei 2019 definitiv herausragend war und die Alltagsnormalität der Menschen im Bundesland durch diese vielen Schneefälle nicht mehr gegeben war. Winterstürme wie Kyrill 2007 waren auch Naturkatastrophen, die außergewöhnlich waren und es sind. Hier wurde einmal mehr klar, dass es bei solchen Szenarien eine Gesamtkoordinierung, wie eben durch den Katastrophenschutz, braucht.
LMZ: Wenn Menschen ihr Hab und Gut verlieren oder gar Menschenleben in Gefahr sind, lässt einen das kalt?
Markus Kurcz: Besonnen und professionell zu arbeiten, ist die Basis im Katastrophenschutz. Dennoch muss das Herz immer dabei sein. Uns ist zum Beispiel im Einsatzstab voll bewusst, was da draußen gerade abläuft. Dass es um Menschen geht, um Situationen, die nur schwer zu verkraften sind, das vergessen wir nie – und das treibt uns auch an, unser Bestes zu geben.
LMZ: Was versteht man nun unter „Katastrophenschutz“?
Markus Kurcz: Es ist die Summe aus viele Akteuren, die bei einem schädlichen Ereignis Hilfe bringen und Schaden minimieren. Dazu gehören Behörden, Gemeinden, Bezirke, Land sowie Einsatz-, Hilfs-, und Rettungsorganisationen. Aber auch zivile Firmen, die zuarbeiten, braucht es - zum Beispiel Baggerbetriebe oder Hubschrauberunternehmen.
LMZ: Der Katastrophenschutz besteht aber nicht nur aus der Bewältigung solcher Ereignisse, sondern setzt schon viel früher ein, oder?
Markus Kurcz: Zum sogenannten Katastrophenschutzzyklus gehören Vermeidung, Vorsorge, Bewältigung und Wiederherstellung. Bei den ersten drei Segmenten ist der Katastrophenschutz in jedem Fall dabei. Bei Gesetzen werden wir um fachliche Stellungnahmen gebeten und bei der Vorsorge geht es vor allem um die Ausbildung und die Erstellung von zum Beispiel Sonderalarmplänen aber auch die Koordinierung im Leitstellennetzwerk. Am meisten werden wir aber bei der Koordination der Hilfe und Bewältigung im Katastrophenfall wahrgenommen.
LMZ: Nicht alles ist behördlich gesehen gleich eine Katastrophe, wie wird das definiert?
Markus Kurcz: Ein Szenario ist in Salzburg dann eine Katastrophe, wenn eine Bezirksverwaltungsbehörde ein Ereignis dazu erklärt, weil es eine übergeordnete Koordination braucht, um ausreichend Hilfe leisten und Schaden minimieren zu können.
LMZ: Was bringt das „ausrufen“ einer Katastrophe?
Markus Kurcz: Alles was danach passiert, geschieht unter der Verantwortung der Bezirksverwaltungsbehörde. Zudem werden die Einsatz-, Hilfs-, und Rettungsorganisationen zu Katastrophenhilfsdiensten und die Bezirkskommandanten haben direkt die Führung aller „ihrer“ Kräfte im Katastrophengebiet in der Hand. Das erleichtert die Koordinierung der Kräfte, das Festlegen von Einsatz-Schwerpunkten und die Bekämpfung des Szenarios enorm.
LMZ: Es gibt ja auch Katastrophenschutzreferenten in jedem Bezirk. Was haben diese für eine Rolle?
Markus Kurcz: Wenn etwas im Bezirk passiert, sind sie für die monokratische Behörde „Bezirkshauptmann/Bezirkshauptfrau“ - der oder die ja verantwortlich ist, für alles was im Bezirk passiert - die Ansprechpartner Nummer eins. Insbesondere dann, wenn es um eine Katastrophe und die notwendige Koordination auf Bezirksebene geht. Bei den punktuellen und regionalen Einzeleinsätzen macht es also absolut Sinn, wenn es solche Personen direkt vor Ort gibt, die das Gebiet kennen, wie ihre eigene Westentasche. Sie sind auch für uns unverzichtbare Partner bei der Bewältigung von Katastrophen.
LMZ: Der Katastrophenschutz wird aber nicht erst dann aktiv, wenn schon etwas passiert ist, oder?
Markus Kurcz: Nein, ganz im Gegenteil. Wir betreiben ein 7/24-System, durch das wir ständig die Situation im Bundesland monitoren können. Zudem werden wir von den Leitstellen regelmäßig über Zwischenfälle informiert. Am Ende des Tages liegt es dann in unserer Hand, ob ein Ereignis für die Behörden des Katastrophenschutzes relevant ist oder nicht.
LMZ: Was war da in letzter Zeit „relevant“?
Markus Kurcz: Hochwässer, Gewitter und Stürme. Das Ganze ist sehr von der Meteorologie getrieben. Aus deren Beobachtungen heraus ergeben sich in Kombination mit anderen Sachverständigendiensten gewisse Erfordernisse und Notwendigkeiten, wodurch wir wissen, wann wir in einen erhöhten Beobachtungsmodus gehen müssen. Und wenn die vorhergesagten Szenarien dann eintreten, können wir Stück für Stück die Gesamtkoordinierung der Maßnahmen zur Bewältigung übernehmen.
LMZ: Immer wieder fällt in diesem Zusammenhang auch das Kürzel AMAS. Was ist das?
Markus Kurcz: AMAS, also Austrian impact-based Multi-hazard Advice Service, ist eine Expertengruppe, die sich in unserem Fall Montag und Donnerstag trifft. Dazu gehören alle Sachverständigendienste, die für Katastrophenlagen relevant sind. Von Meteorologie und Hydrologie über Wildbach- und Lawinenverbauung, Schutzwasserwirtschaft und Emissionsschutz bis hin zum Lawinenwarndienst und Erdbebendienst sind hier alle möglichen Vertreter dabei.
LMZ: Was wird da genau besprochen, wie läuft so ein Treffen ab?
Markus Kurcz: Wie gesagt ist bei uns alles sehr stark Wetter-getrieben, daher gibt meistens die Meteorologie als erstes ihre Lage-Analyse für die kommenden Tage ab und die anderen verdichten mit ihrer Expertise. Also wenn das Wetter gut ist und keine Störungen zu erwarten sind, dann sind unsere Sitzungen rasch vorbei. Ist die Lage aber so, wie es Anfang August war, als es Südösterreich schwer getroffen hat, dann intensivieren wir unseren Austausch und treffen uns auch mehrmals am Tag. Denn am Ende des Tages geht es ja darum, dem Katastrophenschutz mit auf dem Weg zu geben, worauf er sich einstellen muss.
LMZ: Das ganze klingt nach sehr anstrengender ununterbrochener Arbeit. schläft der Katastrophenschutz also nie?
Markus Kurcz: Der Katastrophenschutz ist einer von vielen Diensten, die für das Land bereitstehen. Da zählen natürlich unsere Sachverständigen des Landes genauso dazu, wie die Polizei, Feuerwehr, Rettung, Leitstellen oder zum Beispiel Krankenhäuser. Eines ist ganz klar: Damit wir unsere Alltagsnormalität in einer Form, wie wir es gewohnt sind, genießen können, und damit es rund um die Uhr Hilfe gibt oder Verlass darauf ist, dass uns jemand vor Gefahren warnt, braucht es einfach ein System, das im Hintergrund ständig im Stand-by ist.
LMZ: Wie wichtig ist Öffentlichkeitsarbeit im Katastrophenfall?
Markus Kurcz: Katastrophenschutz und Kommunikation, in unserem Fall das Landes-Medienzentrum in Salzburg, gehören zusammen wie siamesische Zwillinge. Nur so ist es möglich, die Bevölkerung zu sensibilisieren, zu informieren und damit das Beste zu erreichen, das es braucht, um den Alltag wirklich wieder herstellen zu können. Das größte Problem ist meist die Unsicherheit oder gar Desinformation und die kann man mit professioneller sowie gesicherter Kommunikation über die Kanäle des Landes nehmen. Genau für das steht das Landes-Medienzentrum.
LMZ: Würden Sie sich wieder für den Katastrophenschutz entscheiden?
Markus Kurcz: Es gibt durchaus gemütlichere und bequemere Aufgaben, aber ich denke ja. Natürlich ist es fordernd, diese Ereignisse sind immer schlimm und prägen sich ein. Aber für die Menschen im Land da zu sein, gerade in Situationen, wo es wirklich schwierig ist, das motiviert.
Lexikon: Katastrophe
Nach dem Salzburger Katastrophenhilfegesetz ist unter Katastrophe „ein durch elementare oder technische Vorgänge ausgelöstes Ereignis zu verstehen, dessen Folgen in großem Umfang Menschen oder Sachen gefährden.“
Quelle: Land Salzburg