Österreich: „Borealis-Deal ist verfassungsrechtlich höchst problematisch!“
Foto: NÖ Bauernbund/APA/Reither
Verfassungsexperte Heinz Mayer und Topmanager Claus Raidl unterstützen NÖ Bauernbund im Kampf gegen Ausverkauf der Versorgungssicherheit.
In der heutigen Pressekonferenz setzte der NÖ Bauernbund mit seinem Obmann LH-Stv. Stephan Pernkopf ein starkes Ausrufezeichen im Kampf gegen den höchst umstrittenen Borealis-Deal um die Düngemittelsparte. Neben dem blau-gelben Landesvize nahmen Verfassungsexperte Heinz Mayer, der sein Rechtsgutachten präsentierte, und der ehemalige Topmanager Claus Raidl, der an die Verantwortung der ÖBAG appellierte, am Podium Platz und unterstützen die Anliegen des NÖ Bauernbundes ausdrücklich.
Vor mehr als drei Monaten hat die OMV-Tochter Borealis den Verkauf und der tschechische Agrofert-Konzern den Kauf der Borealis-Düngemittelsparte via Pressemitteilung bekannt gegeben. Pernkopf fragte bereits in seiner ersten Stellungnahme: „Wo bleibt da die Verantwortung? Bäuerinnen und Bauern brauchen für die Produktion von Lebensmitteln die Düngemittel dringend. Wie will die ÖBAG eine Gefährdung unser aller Versorgungssicherheit und leere Regale ausschließen?“
Ein weiteres Bedrohungsszenario zeigte der NÖ Bauernbund anhand von Deutschland auf. Dort wurde im Stickstoffwerk Piesteritz, das sich im Eigentum von Agrofert befindet, neben der Düngerproduktion auch die Herstellung von AdBlue, einem wichtigen Zusatzstoff im Transportwesen, gestoppt und damit eine erhebliche Schwächung der deutschen Wirtschaftsleistung provoziert, bis es in diesen Tagen zu einer Überbrückungslösung kam.
ÖBAG muss Interessen Österreichs wahren
Besonders um die Rolle der ÖBAG ging es im Rechtsgutachten von Mayer, der den Deal als „verfassungsrechtlich höchst problematisch“ bezeichnete. Auch am Grundgedanken der ÖBAG, zu finden in § 7 Abs 1 und Abs 2 des ÖIAG-Gesetz 2000, „auf den Wirtschafts- und Forschungsstandort und der Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen Bedacht zu nehmen“ und „den ihr zustehenden Einfluss bei bestehenden Beteiligungen sicherzustellen und aufrechtzuerhalten“, wird eine klare Verpflichtung der ÖBAG und ihrer Organe deutlich, die Sicherung des Wirtschaftsstandortes zu berücksichtigen. Der Deal steht dazu im Widerspruch, da einerseits der einzige bedeutende Düngemittelproduzent verloren geht und andererseits auch der Einfluss auf die weitere Entwicklung des Unternehmens verloren geht, womit „Österreich eine allfällige Abhängigkeit von anderen Ländern nicht verhindern kann und diese die heimische Produktion erheblich gefährden kann“.
Weiters sieht Mayer einen diametralen Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung. Mit dieser Bestimmung bekennt sich Österreich „zur Sicherung der Versorgung mit hochqualitativen Lebensmitteln tierischen und pflanzlichen Ursprungs auch aus heimischer Produktion“, wobei hier laut Mayer die ÖBAG, da im Besitz des Bundes, besonders an die Bestimmung gebunden ist und die österreichischen Interessen an der Zielsetzung zu wahren hat.
Raidl zeigte sich insbesondere von den Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort besorgt und stellt das öffentliche Interesse über die betriebswirtschaftlichen Überlegungen: „Es handelt sich hier sicher um einen Einzelfall, bei dem aber die einzelwirtschaftliche Optimierung an ihre Grenzen stößt und das öffentliche Interesse Vorrang hat. Im konkreten Fall ist es auch unternehmerisch vertretbar, das öffentliche Interesse vor die einzelwirtschaftliche Gewinnmaximierung zu stellen. Schließlich würde der Nichtverkauf der Sparte durch die gute Ertragskraft eben dieser Sparte die Ertragslage von Borealis nicht beeinträchtigen.“
Damit bestätigt Raidl die NÖ Bauernbundlinie, dass der Borealis-Deal ohne wirtschaftliche Notwendigkeit veranlasst wurde und zu groben Verwerfungen am Markt für Düngemittel und damit auch bei den Lebensmitteln führen kann.
NÖ Bauernbund wird sich weiter für die Versorgungssicherheit einsetzen
„Die Unterstützung solch herausragender Persönlichkeiten des österreichischen Rechts und der Wirtschaft zeigt, dass die Bäuerinnen und Bauern in ihrer Sorge um die Versorgung mit Düngemitteln nicht allein sind. Im Namen des NÖ Bauernbundes, der 37.000 bäuerlichen Familienbetriebe und zum Schutz der Versorgungssicherheit für alle Österreicherinnen und Österreicher bitte ich die Verantwortlichen in der ÖBAG diesen unheilvollen Deal zu abzublasen. Die Düngemittelproduktion muss rot-weiß-rot bleiben!“, so Pernkopf, der abschließend bestätigte, dass der NÖ Bauernbund weiterhin alle Möglichkeiten zum Stopp des Verkaufs der Borealis-Düngemittelsparte ziehen wird.
Zum Deal und zur aktuellen Lage rund um die Düngemittelproduktion in Europa
Es ist zu erwarten, dass der Zusammenschluss zu einem Marktanteil des fusionierten Unternehmens auf dem österreichischen Markt für Kalkammonsalpeter KAS in der Größenordnung von 70 bis 80 % oder sogar mehr führen wird, was eindeutig eine marktbeherrschende Stellung darstellt.
Die derzeit zweit-, dritt- und viertgrößten Produzenten sind entweder in Russland ansässig oder werden von russischen Unternehmen kontrolliert oder haben ihren Sitz in der Ukraine, nämlich Eurochem, Ostchem und Uralchem.
Somit unterliegen die zweit-, dritt- und viertgrößten Hersteller derzeit politischen Sanktionen oder sind sogar direkt von Kriegseinsätzen in der Ukraine betroffen, was ihren Zugang zu Kunden in den EU-Mitgliedstaaten verhindert.
Doch auch in den EU-Staaten ist die Situation angespannt. Beispielsweise im SKW (Stickstoffwerk) Piesteritz, das dem tschechischen Agrofert-Konzern gehört. Dort wurden bereits im August die Produktion von Düngemitteln und des für den Verkehr wichtigen Zusatzstoffes AdBlue gestoppt. Nur nach intensiven Verhandlungen seitens der deutschen Politik wurde das Werk nun wieder im Betrieb genommen. In deutschen Medien wurden dabei auch Meldungen seitens des Werkes veröffentlicht, die tief blicken lassen, darin hieß es unter anderem „Wir haben das Gefühl, dass das Problem verstanden wurde und vertrauen auf ein verlässliches Signal aus der Politik“.
Quelle: OTS