Wien: „Wohnen für das Gemeinwohl“ als neuer Ansatz für europäische Wohnpolitik gefordert

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Pressegespräch anl. europäischer Dialog zum Thema leistbares Wohnen mit u.a. Bürgermeisters Michael Ludwig und Evelyn Regner, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments.
Foto: Stadt Wien/Martin Votava
28 Apr 03:00 2024 von Redaktion Salzburg Print This Article

Stärkere Einbindung der Städte und Regionen: Bürgermeister Ludwig initiiert hochrangigen europäischen Dialog in Wien

Bürgermeister Michael Ludwig hat heute eine Reihe von EU-Stakeholdern zu einem hochrangigen Dialog zur Frage des leistbaren Wohnens in Europa im Wiener Rathaus empfangen. „Für die großen Herausforderung auf EU-Ebene sind starke Allianzen nötig. Dazu gehören die Städte genauso wie die verschiedenen europäischen Institutionen und Interessensvertretungen. Wir alle arbeiten seit vielen Jahren ausgezeichnet in verschiedenen Projekten und Formaten zusammen“, betonte Ludwig im Anschluss an das Treffen, zu dem auch EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit live per Videokonferenz aus Brüssel zugeschalten war. „2024 ist ein Jahr, in dem die Weichen auf europäischer Ebene gestellt werden, die entscheiden, in welche Richtung die Europäische Union ihren Kurs fortsetzt“, betonte Bürgermeister Ludwig, „daher war es wichtig, dass wir noch vor den Europawahlen ein starkes Signal setzen: Wohnen muss für alle Menschen in der Europäischen Union leistbar sein.“

Hochrangiges Treffen aus ganz Europa formuliert Offenen Brief

Seitens der EU-Institutionen nahmen Evelyn Regner, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit und Ans Persoons, Staatssekretärin der Region Brüssel-Hauptstadt aus dem EU-Ratsvorsitzland Belgien, teil. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss war durch Präsident Oliver Röpke, der Ausschuss der Regionen durch sein estnisches Mitglied Andrés Jaadla, aktueller Berichterstatter zum Thema Wohnen, vertreten. Wichtig war dem Wiener Stadtchef die Einbindung zentraler Akteur*innen des sozialen und leistbaren Wohnens, wie des Internationalen Mieterbunds, für den Präsidentin Marie Linder aus Schweden anreiste. Weiters nahmen teil Housing Europe, der europäische Dachverband der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft, der durch seinen dänischen Vorsitzenden Bent Madsen vertreten war, sowie von der sozialen Wohlfahrtsorganisation Solidar, die Generalsekretär Mikael Leyi. Als langjähriger Finanzierungspartner für soziales und leistbares Wohnen war die Europäische Investitionsbank durch Abteilungsleiter Gerry Muscat eingebunden, die seit vielen Jahren Wohnprojekte in ganz Europa finanziert. Auch die beiden europäischen Städtenetzwerke Eurocities und der Rat der Gemeinden und Regionen Europas unterstützen die Anliegen vollinhaltlich.

Ludwig: 2024 ist ein Entscheidungsjahr für gutes Wohnen für alle in Europa

Im Rahmen des Arbeitsgesprächs wurde ein Offener Brief an das Europäische Parlament, Kommission und Rat formuliert (https://www.wien.gv.at/politik-verwaltung/pdf/gemeinnuetziger-wohnungsbau-europa.pdf). „Wir sind uns einig, dass Wohnungspolitik dem Gemeinwohl dienen muss – das ist gut für die Menschen, für die Wirtschaft und für das Klima“, fasst Ludwig zusammen. Die Europäische Union solle der Verantwortung gerecht werden, ihre Bürger*innen vor krisenhaften und spekulativen Entwicklungen zu schützen. Und das sei nur auf globaler und europäischer Ebene zu lösen. Die EU-Institutionen müssen das Thema des sozialen und leistbaren Wohnens für alle in der kommenden Mandatsperiode zu einem Schwerpunkt machen. „Das betrifft sowohl das Parlament, die Kommission als auch den Rat. Dabei ist es entscheidend, Städte und Regionen institutionell in die Bewertung und Entwicklung der EU-Politik einzubinden und nicht nur über einzelne Maßnahmen zu reden. Wir brauchen eine kontinuierliche und ernsthafte Befassung mit dem Thema, um nachhaltige Lösungen in ganz Europa zu fördern“, sagt Ludwig weiter. Sein Wunsch sei - unter klarer Beachtung des Subsidiaritätsprinzips – „eine echte Governance auf EU-Ebene zu schaffen, die für bessere Rechtssetzung, bessere Förderungen und Finanzierungen und ein besseres Wissensmanagement sorgt.“

Der Offene Brief beinhaltet Vorschläge wie die Schaffung einer inhaltlichen Koordinierung und Zuständigkeit im neuen Kollegium, die Einrichtung einer Expert*innengruppe in der Europäischen Kommission und die strukturelle Einbeziehung der Städte in die Treffen der EU-Wohnbauminister*innen der Europäischen Kommission sowie nicht zuletzt der Interessensgruppen zur Daseinsvorsorge, Städtepolitik und langfristigen Investitionen im Europäischen Parlament. Regelmäßige Gipfeltreffen zum Thema Wohnen unter Einbeziehung aller Akteur*innen des sozialen und leistbaren Wohnens, auch der Städte und Regionen, könnten die Aufmerksamkeit für das Thema hoch halten. Außerdem sollten die Gestaltungsmöglichkeiten und Finanzierungsbedingungen der Städte und Regionen verbessert werden. Dazu gehöre vorrangig die schon lange geforderte Reform des Beihilfenrechts, welches noch immer das soziale Wohnen auf die ärmsten Bevölkerungsschichten einschränke. Für andere Themen, wie etwa die Entwicklung von Modellen für lokale und regionale revolvierende Wohnbaufonds, könnte auf die Instrumente und Formate der EU-Städteagenda zurückgegriffen werden.

Wiener Modell für leistbares Wohnen als europäisches best-practice Beispiel

Evelyn Regner, Vizepräsidentin des EU-Parlaments, betont: „Es gibt wohl keinen besseren Ort von dem aus wir unsere Forderungen für das Grundrecht auf leistbares Wohnen in ganz Europa formulieren könnten als Wien. Hier sehen wir in der Praxis, wie eine solidarische Politik der Daseinsvorsorge guten Wohnraum für alle sichern kann. Und dieses Beispiel muss Schule machen. Wien ist ein anerkanntes europäisches best-practice-Beispiel. Ich danke dem Wiener Bürgermeister Dr. Michael Ludwig, dass er hier heute hochrangige Vertreterinnen und Vertreter der europäischen Institutionen und Stakeholder versammelt hat. Unser Appell ist klar: Leistbares Wohnen ist ein Grundrecht, und Wohnungspolitik muss dem Gemeinwohl dienen. In den kommenden Jahren müssen wir dafür auch endlich jene Voraussetzungen auf EU-Ebene schaffen, die diese Ziele unterstützen. Das bedeutet neben einer entsprechenden institutionellen Verankerung des leistbaren Wohnens für alle, als politische Priorität in der nächsten EU-Kommission und im EU-Parlament auch, einen besseren Zugang zu EU-Förderungen für sozialen Wohnbau zu sichern und diesen vor allem von restriktiven Beihilfenregeln auszunehmen. Leistbares Wohnen als politische Leitlinie bedeutet auch den Einsatz für eine öffentliche Investitionsoffensive, die ganz stark auf lokale und regionale Bedürfnisse Rücksicht nimmt, und strenge Regeln gegen Spekulation mit Wohnraum umzusetzen. Hier muss die EU noch viel mehr leisten, dafür wird das Europäische Parlament auch weiterhin ein Partner sein.“

„Europa befindet sich in einer Wohnungskrise, in der viele Menschen Schwierigkeiten haben, angemessenen und leistbaren Wohnraum zu finden. Wien zeigt, dass ein starker kommunaler und gemeinnütziger Wohnungssektor sich positiv – preisdämpfend – auf den gesamten Wohnungsmarkt auswirkt. Das ist nicht nur für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gut, es hilft auch der Wirtschaft, sich nachhaltig zu entwickeln und unterstützt auch die Klimaziele“, sagt Oliver Röpke, Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses. „Es ist klar, dass wir europäische Lösungen und einen europäischen Aktionsplan brauchen, an dem relevante Akteurinnen und Akteure auf allen Ebenen beteiligt sind: Mitgliedstaaten, EU-Institutionen, Sozialpartner, Organisationen der Zivilgesellschaft, Gemeinden, Städte und Regionen sowie der Privatsektor. Um dies zu erreichen, müssen wir auch die Investitionen ankurbeln. Wir verfügen bereits über Instrumente wie Kohäsionsfonds oder InvestEU, aber wir müssen auch langfristige Lösungen mit spezifischen Investitionsinstrumenten andenken, etwa revolvierende Fonds, die den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften helfen, um endlich die Wohnungskrise in Europa anzugehen“, ergänzt Präsident Röpke.

Hintergrund

Das Wiener Modell des sozialen und leistbaren Wohnens ist europaweit und international anerkannt. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) empfiehlt es inzwischen regelmäßig als vorbildhaft für andere Städte und Staaten; bereits im Jahr 2017 für Estland, jüngst in einer „Peer Review“ für die Stadt Brüssel. Insgesamt setzt sich das Konzept der Wohnungsgemeinnützigkeit nach österreichischem Vorbild immer mehr unter dem Titel „Housing for the Common Good“ in europäischen und internationalen Debatten zur Lösung der Wohnungskrise durch. Europäische und internationale Medien berichten regelmäßig über das Wiener Modell, Besucher*innengruppen aus aller Welt kommen in die Bundeshauptstadt, um von Wien zu lernen und sich auszutauschen.

Wien seit Jahren an der Spitze europäischer Initiativen für leistbares Wohnen

Wien war seit 2013 immer wieder an der Spitze von Initiativen zum leistbaren Wohnen in Europa. Die 2013 vom damaligen Bürgermeister Michael Häupl und dem Wohnbaustadtrat Michael Ludwig initiierte „Resolution der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister Europas für das soziale Wohnen“ war der Beginn einer Erfolgsgeschichte, auf der es nun gut zehn Jahre später, aufzubauen gilt. Die Stadt hat mit EU-geförderten Projekten wie „Smarter Together“, „WieNeu+“, der Internationalen Bauausstellung 2022 und vielen weiteren Maßnahmen, wie der Flächenwidmungskategorie „Geförderter Wohnbau“ oder den jüngsten Maßnahmen gegen touristische Kurzzeitvermietungen in der Wiener Bauordnung sowie der Mietpreisbremse im Gemeindebau gezeigt, dass mit einem starken Willen zur Gestaltung über viele Jahre und Jahrzehnte Wohnen den Menschen und dem Gemeinwohl dienen kann. Im Mai 2023 unterstrich dies eine Studie zur preisdämpfenden Wirkung des gemeinnützigen Wohnbaus in Wien („Die preisdämpfende Wirkung des gemeinnützigen Wohnbaus“, WIFO-GBV i.A. der Stadt Wien, 2023) eindrucksvoll.

Stadt Wien setzt seit Jahren auf starke Einbindung der Städte

Das Engagement Wiens für mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten der Städte (und Regionen) im EU-Kontext hat eine lange Tradition. So hat Wien sich für jährliche Treffen der EU-Hauptstädte mit der Europäischen Kommission eingesetzt, die seit 2012 regelmäßig stattfinden und einen informellen Dialog ermöglicht. Wien engagiert sich im europäischen Städtenetzwerk Eurocities und macht über die Mitgliedschaft im Europäischen Ausschuss der Regionen immer wieder auf urbane Fragen aufmerksam, etwa im Zusammenhang mit den touristischen Kurzzeitvermietungen. Außerdem war Wien eine der ersten Städte, die um eine Koordinationsrolle in der Partnerschaft zum Wohnungswesen im Rahmen der EU-Städteagenda ersucht wurde. Insgesamt hat die Stadt das Thema Europa nicht nur in zahlreichen Projekten integriert, sondern tritt als starke und aktive Interessensvertretung der Städte und Regionen gegenüber den europäischen Institutionen auf. Zu wesentlichen Beschlüssen zur Frage der EU-Städtepolitik in der nun bald 30-jährigen Mitgliedschaft Österreichs bei der EU trug Wien wesentlichen dazu bei, europäische Politik urbaner, also städtefreundlicher, zu machen.

Der Offene Brief an das Europäische Parlament, Kommission und Rat ist hier einsehbar: https://www.wien.gv.at/politik-verwaltung/pdf/gemeinnuetziger-wohnungsbau-europa.pdf


Quelle: Stadt Wien



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